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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Durchreiche, sah der Kommissar das Schwarze unter den Fingernägeln der Leute und wie ihre rissigen Hände manchmal zitterten, wenn sie ihm das Geld reichten.
    Warum nimmt man denen überhaupt was ab, dachte er. Manchmal sah er in ihre Augen, folgte dem unruhigen Blick, der sich ihm wieder entzog, voller Scham oder Gleichgültigkeit.
    Ohne dass Eschenbach es verhindern konnte, begann diese Welt an ihm zu nagen: die Welt der Habenichtse, die sich zwischen Essen und Schlafen wie in einem Käfig hin und her bewegten und denen als letztes Ausflugsziel ein anständiger Drogenrausch geblieben war.
    Der Kommissar spürte, wie ein tiefes Unbehagen in ihm hochfuhr; etwas, das ihm sagte, dass er das alles gar nicht sehen wollte. Und dass es ihn auch gar nichts anging. Plötzlich hatte er Verständnis für all die, die sich so etwas ersparten. Traurigkeit war ansteckend, Hoffnungslosigkeit auch. Eschenbach spürte diesen Sog und war froh, als das letzte Essen ausgegeben war und das Fenster zur Durchreiche geschlossen wurde.
    Sein Hunger war weg. Während Christine und Hollenweger in der Küche noch etwas aßen, trank er Kaffee. Eine scheußliche Brühe, die ihm sofort auf den Magen schlug. Nachdem der Kommissar in kurzen Sätzen sein Anliegen erläutert hatte, gingen sie ins kleine Büro im Parterre.
    »Hier ist die Liste«, sagte Eschenbach. »Vielleicht kennen Sie den einen oder anderen … jedenfalls wird die Heuwaage erwähnt und zweimal auch das Kantonsspital Basel.«
    Hollenweger runzelte die Stirn, während er die Namen durchging. »Sind die alle tot?«, fragte er.
    »Es sieht so aus, ja.«
    »Das ist happig.«
    »Wir hatten tatsächlich einen Fall …«, begann Christine zögerlich. »Zwischen Weihnachten und Neujahr, ich kann Ihnen das ganz genau sagen.« Sie stand auf und ging zum Aktenschrank.
    »Über jeden Zwischenfall schreiben wir einen Rapport.« Hollenweger nickte. »Das ist genau geregelt.«
    »Führen Sie auch Buch über die Leute, die hierhin kommen und die Sie verpflegen?«, wollte Eschenbach wissen.
    »Wir führen ein Tagesjournal. Wenn die Person eintrifft, werden Name, Adresse und Uhrzeit eingetragen. So wissen wir ganz genau, wer sich gerade im Haus befindet. Und abends, bevor wir schließen, jagen wir die Liste durch den Schredder. Wegen dem Datenschutz, Sie wissen schon.«
    »Ja, ich weiß.« Eschenbach fuhr sich durchs Haar.
    »Ich hab die Akte«, sagte Christine und kam mit einem Mäppchen aus Umweltpapier zurück an den Tisch. »Wie ich vermutet habe. Carla Schwob heißt sie. Ist uns einfach zusammengebrochen am 27 . Dezember letzten Jahres. Hier steht’s … Kreislaufzusammenbruch.«
    »Und dann? Ich meine, wohin wurde sie gebracht?«
    »Wenn so etwas passiert, rufen wir immer direkt den Notarzt. Kantonsspital Basel … die kommen dann mit einem Krankenwagen. Wie das halt so ist. Wir haben im Jahr ein Dutzend solcher Fälle.«
    Eschenbach sah nach. Carla Schwob war Nummer elf auf der Liste. Als Ort war das Kantonsspital Basel vermerkt und das Datum stimmte.
    »Und sind Sie der Sache nachgegangen?«
    »Nein, das machen wir grundsätzlich nicht.« Die Antwort kam prompt. Nach einer kurzen Pause sagte Hollenweger: »Sie wundern sich vielleicht darüber. Aber wir sind hier in erster Linie Verpflegungs- und Aufenthaltsposten. Jeder kann kommen, jeder kann gehen. Manchmal sind es bis zu achtzig Leute am Tag.«
    »Ich wundere mich gar nicht«, sagte Eschenbach. »Ich frage nur.«
    »Natürlich haben wir zu denen, die schon jahrelang hierherkommen, ein engeres Verhältnis. Vielleicht hätten wir in so einem Fall … jedenfalls gehörte Frau Schwob nicht zu denen.«
    »Kann ich von diesen Unterlagen eine Kopie haben?«
    »Es ist wegen dem Datenschutz«, sagte Hollenweger und schüttelte den Kopf. »Aber ich kann die Akte hier liegen lassen und mit Christine auf einen Kaffee … Sie wissen schon.«
    Der Kommissar lächelte. »So machen wir’s.«
    Nachdem den beiden zu den Namen auf der Liste nichts mehr einfiel, holte Hollenweger Eschenbachs Wertsachen aus dem Schrank und verließ mit Christine das Büro.

    Warum hatte Eschenbach immer das Gefühl, dass in anderen Städten die Taxifahrer freundlicher waren? Der Mann fuhr ihn direkt in die Notaufnahme des Kantonsspitals.
    »Hier nicht gehen Schnee.«
    Eschenbach rundete den Betrag großzügig auf. Vielleicht lag es daran, dass man gegenüber Orten, wo man nicht lebte, toleranter war.
    »Fehlt Ihnen etwas?«, fragte ein hünenhafter Kerl in weißem

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