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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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sagte Eschenbach, als müsste er sich noch selbst davon überzeugen. »Und Herrgott noch mal, all das ist von der CIA und von unseren Nachrichtendiensten etwa so weit weg wie … wie der Sommer vom Winter.« Mit einer ausholenden Geste traf der Kommissar den kleinen Leuchter über dem Tisch. Einen Moment flackerten die Birnen.
    »Schlag mir das Ding nicht runter«, knurrte Lenz.
    »Sorry, Ewald.«
    »Muranoglas … ein Erbstück von meiner Mutter.«
    Eine Weile sagte niemand etwas. Im Raum stand die Frage, ob und wie sich diese Vermutung beweisen ließe.
    »Wirst du nach Winter fahnden lassen?«, fragte Lenz.
    »Das ist nicht mehr mein Ding, Ewald. Da gibt jetzt Bern den Takt an. Wir sind nur noch ein kleines Entchen im großen Tanz der Schwäne. Natürlich werden wir uns brav ins eidgenössische Großfahndungsspektakel einreihen.«
    Lenz kicherte leise, dann nahm er die nächste Plastikhülle zur Hand. »Gloor, Glanz und Gloria. Wollt ihr dazu noch etwas hören?«
    Beide nickten.
    »Wenn’s dazu was zu trinken gibt.« Eschenbach machte ein unschuldiges Gesicht.
    »Erst wenn wir fertig sind … es gibt eh nicht viel zu berichten. Nichts Spannendes jedenfalls.«
    »Das wundert mich aber«, sagte der Kommissar und setzte sich wieder.
    »Viten von Politikern …« Lenz schob ein Gähnen vor. »Da ist ein Sexskandal das höchste der Gefühle.«
    »Na also.«
    »Aber auch da muss ich dich enttäuschen«, lächelte Lenz. »Das Fremdvögeln überlässt er seiner Frau. Das ist für ein Großmaul wie Gloor vielleicht peinlich, aber was soll’s … sie tut’s so offensichtlich, dass er mit etwas Glück bei den nächsten Wahlen mit einem Solidaritätsbonus rechnen kann.«
    »Bei uns gäb’s einen Malus«, meinte Jagmetti trocken und unternahm den nächsten Versuch, sich die Beine zu vertreten.
    »Wie gesagt, Gloor hat einen Persilschein … bis jetzt jedenfalls. Er hat es verstanden, die Sozialpolitik seiner linken Vorgängerin zu diskreditieren. Dabei setzt er die Boulevardmedien derart geschickt ein, dass heute jeder Sozialempfänger als Abzocker oder Schmarotzer gilt. Jedenfalls ist es kälter geworden in Zürich, seit er im Amt ist.«
    »Wir werden ja sehen … Claudio, setz dich bitte, du machst mich ganz nervös mit deinem Rumgehample.« Eschenbach verteilte die Liste mit den Namen. »Die paar mit den Kreuzen sind vermutlich über den Jordan. Man hat mir gewaltig eins auf die Finger gehauen, als ich begonnen habe, Fragen zu stellen. Es scheint also, dass es sich um etwas Größeres handelt. Mehr weiß ich nicht.«
    »Donnerwetter«, sagte Lenz, nachdem er die Liste Zeile für Zeile durchgegangen war. »Woher hast du das?«
    Eschenbach zuckte die Schultern und, als sich der Alte damit nicht zufriedengab, sagte er lakonisch: »Ich frag dich schließlich auch nicht, woher du dein Zeug hast.«
    Der Schnurrbart des Alten zitterte einen Moment, dann gab Lenz nach: »Also gut, von mir aus. Sag uns, was du vorhast.«

29
    Es war ein einfacher Plan.
    Während Lenz sich die Drogen- und Obdachlosenheime, Gassenzimmer und die Tages- und Nachtschlafstätten in Bern vornahm, würde Eschenbach dasselbe in Basel tun. Und bei der Frage, wer sich um die Szene in Zürich kümmern musste, sahen beide zu Claudio.
    »Nach zwanzig Jahren Kripo …«, seufzte der Kommissar. »Mich kennt jeder Hund im Kanton. Als Bündner hast du einen Sympathiebonus …«
    Jagmetti war schließlich einverstanden.

    Eschenbach nahm den Zug. Die Strecke führte durch den Aargau, über Baden, Brugg und dann durchs Fricktal den Rhein entlang. Es war eine große, fruchtbare Ebene, in der es im Frühjahr nach Mist roch, bevor die Kirschbäume zu blühen begannen und später der Raps und die Apfelbäume prächtige Farben ins satte Grün der Landschaft zauberten.
    Nur im Winter gab es nichts zu sehen. Dann stand der Nebel, so dick und so grau wie sonst nirgends. Er schlich durch die halbhohen Sträucher, die man entlang der Gleise gepflanzt hatte, und er besetzte die Felder. Auch auf den Bahnhöfen tummelte er sich; ungebeten, wie ein schlecht gekleideter Gast, der sich nicht abweisen ließ und an den man sich langsam gewöhnte.
    Bei Rheinfelden lichtete sich die trübe Suppe und zwanzig Minuten später, in Basel, schien die Sonne. Eschenbach blinzelte, als er über den Bahnhofplatz ging. Auch hier lag überall Schnee. Mannshohe Haufen standen herum; man hatte versucht, das Gröbste aus dem Weg zu räumen. Entlang der Straßenränder zog sich ein brauner

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