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Eiswein (German Edition)

Eiswein (German Edition)

Titel: Eiswein (German Edition)
Autoren: Carmen Mayer
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sagte sie, und dort am nächsten Tag zum Mittagessen auf mich warten.«
    »Warum am nächsten Tag erst?«
    Christoph seufzte.
    »Ich hatte am Abend noch eine geschäftliche Verabredung und war nicht in der Stimmung, mit ihr im Hotel zu übernachten.«
    ‚Wie unsensibel können Männer doch sein!‘, ging Braunagel durch den Kopf, der seltsamerweise Julia besser verstehen konnte als diesen jungen Mann hier.
    »Nicht in der Stimmung?«, hakte er deshalb nach. »Oder wollten Sie nicht, dass jemand im Ort von Ihrer Beziehung erfuhr? Julia Neubauer war ein paar Jahre älter als Sie, nicht wahr? Spricht sich schnell rum in so einer kleinen Stadt, oder? Wäre Ihnen das peinlich gewesen?«
    Christoph antwortete ihm nicht, und Braunagel machte sich seine eigenen Gedanken dazu. Kleine Ortschaften konnten im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch sein für jede etwas außergewöhnliche Beziehung. War wohl auch einer der Gründe dafür, weshalb der Winzer nicht mit seiner Mutter über seine Beziehung zu Julia Neubauer gesprochen hatte.
    »Ich sagte doch, dass mich ihr Besuch genervt hat.«
    »Sie hatten eine geschäftliche Besprechung nach diesem Gespräch. Wo und mit wem?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Es handelt sich um Ihr Alibi für diesen Abend, Herr Orthler.«
    »Um mein Alibi?«
    »Sicher.«
    »Mein Kunde hat den Termin abgesagt, weil er eine Reifenpanne hatte. Er wäre sowieso nur auf einen Sprung vorbeigekommen, hatte sich dafür am Vormittag angemeldet, weil er noch ein paar Flaschen Wein mitnehmen wollte. Die hab ich ihm dann nachgeschickt. Die Adresse suche ich gerne für Sie raus.«
    Braunagel winkte ab.
    »Wo waren Sie dann?«
    »Zu Hause.«
    »Wo niemand Sie gesehen hat, nehme ich an.«
    Das Gespräch verlief so zäh, dass Braunagel sich Norbert Schwarz hereinwünschte, der in solchen Fällen sehr schnell die richtigen Worte fand.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass ich für diesen Abend ein Alibi brauche …«
    Braunagel winkte erneut ab. Mein Gott, warum musste er dem jungen Mann alles aus der Nase ziehen? Langsam kam ihm der Gedanke, dass diese Julia Neubauer mit einem Riesenpaket Geduld und Verständnis ausgerüstet gewesen sein musste, wenn sie es bereits länger mit ihm ausgehalten hatte. Oder steckte etwas anderes hinter Christophs Haltung als Desinteresse und Trägheit?
    »Sie sind also am nächsten Mittag zum Goldenen Bären gefahren, nehme ich an. Und dann?«
    »Julia war nicht da. Ich hab versucht, sie auf dem Handy zu erreichen, aber sie ging nicht dran und kam auch nicht zum Essen wie verabredet. Da bin ich wieder gefahren, und dachte, sie wolle mir zeigen, wie das ist, wenn man auf jemanden wartet, der nicht kommt und sich auch nicht meldet.«
    »Verstehe. Wohin sind Sie dann gefahren?«
    Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Braunagel hatte längst seine sprichwörtliche Geduld verloren, wollte dieses Gespräch aber trotzdem in Ruhe zu Ende bringen.
    »Zum Gut zurück. Ich wollte ihr zeigen, dass ich dieses vermeintliche Spielchen nicht mitmache, und habe mich zunächst weder auf ihrem Handy, noch im Goldenen Bären gemeldet. Mir war das einfach zu blöd.«
    »Ja klar.« Braunagel verkniff sich nachzufragen, warum sein Gegenüber umgekehrt nicht akzeptieren wollte, dass seine Freundin aus demselben Grund ausgerastet war. Manchmal verstand nicht einmal er die Männer.
    »Am Freitag musste ich für drei Tage nach Norddeutschland fahren, Ware ausliefern und Kunden besuchen«, fuhr Christoph fort. »Als ich am Sonntagabend zurückkam, war es schon ziemlich spät, und ich hab hier im Haus niemanden mehr angetroffen. Dass es sich bei der Toten, die im Stadtwald gefunden wurde, und von der die Zeitung am Montag berichtet hat, um Julia handelt, habe ich erst vorhin von Ihnen erfahren.«
    Ein Schatten flog über sein Gesicht, was Braunagel interessiert registrierte.
    »Kann ich die Adressen Ihrer Kunden haben, zu denen Sie letzte Woche gefahren sind?«
    »Klar.«
    »Das heißt also, Sie haben die ganze Zeit über nicht einmal versucht, Kontakt zu ihr aufzunehmen? Ist Ihnen denn nicht in den Sinn gekommen, sie anzurufen und zumindest zu fragen, wie es ihr geht, nachdem Sie wussten, dass Sie sie vor den Kopf gestoßen haben? Wo sie ist?«
    In Braunagels Kopf arbeitete etwas, das ihn zornig werden ließ. Er kannte diese Situation nur zu gut aus eigener Erfahrung und ärgerte sich darüber, dass ihm gerade in diesem Augenblick etwas klar wurde, was er so niemals hatte sehen wollen. Er zog seine Lippen
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