Eiswein (German Edition)
Nachmittag vor dem Stadtcafé mit ihr, wo sie sich über eine Stunde lang angeregt unterhielten. Das haben Zeugen bestätigt. Dann fuhr Christoph weg. Julia ging zum Goldenen Bären . Den verließ sie irgendwann wieder, und lief kurz darauf splitternackt im Wald herum, wo sie erschlagen wurde. Im Gasthof fiel ihr Fehlen zunächst nicht auf, weil die Rezeption ab 19 Uhr nicht mehr besetzt ist, und die Gäste einen Hausschlüssel für den Fall haben, dass sie später zurückkommen. So, und was schließen wir daraus?«
»Ich schließe noch gar nichts daraus«, meldete sich Braunagel zu Wort. Die Zeller reizte ihn mit ihren pseudo-sachlichen Ausführungen seiner Meinung nach absichtlich. Warum ließ sie ihn nicht berichten, was er über die Sache dachte und wusste? Es war sein Fall, nicht ihrer. Sollte sie sich vor ihrem Verlobten profilieren! Da mochte das mehr Wirkung zeigen.
»Ich möchte zunächst einmal wissen, warum diese Frau abends nackt im Wald herumläuft«, begann er. »Die Kollegen haben ihr Auto inzwischen samt Kleidern und Handy von diesem versteckt gelegenen Waldparkplatz geholt und untersucht. Es gibt keine Hinweise darauf, dass jemand außer ihr in letzter Zeit den Wagen gefahren hat. Die Spurensicherung hat fast ausschließlich ihre Fingerabdrücke gefunden, und ein paar ältere, die vermutlich von Karl Mauracher stammen. Das müssen wir noch abgleichen. Karl Mauracher sagte am Telefon, er habe ab und zu als Einziger das Auto seiner Chefin gefahren, wenn kein anderes zur Verfügung stand.« Braunagel machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: »Fest steht, dass Christoph Orthler tatsächlich mehrmals erfolglos versucht hat, sie anzurufen, und dass Renate Kellermann der Freundin drei SMS schickte mit der Bitte, sich zu melden.« Er holte kurz Luft, weil er sich atemlos geredet hatte, um Annemarie Zeller keine Möglichkeit zu geben, etwas einzuwenden. »Vielleicht kommen wir der Sache näher, wenn wir wissen, was es mit diesem Nacktherumlaufen auf sich hat.«
»Das können Sie gern klären, Braunagel«, stimmte Annemarie Zeller ihm süffisant lächelnd zu. »Wurde eigentlich inzwischen der Autoschlüssel zu ihrem Golf gefunden?«
»Nein. Ein Schlüsselbund, der vermutlich zur Alten Mühle und Julia Neubauers privaten Räumen gehört, und der Schlüssel zu den Türen im Goldenen Bären lagen im Auto. Den Wagenschlüssel hat sie vermutlich irgendwo versteckt.«
»Für mich steht jedenfalls fest: Der junge Orthler ist hoch verschuldet, und wenn er tatsächlich drogenabhängig ist, steckt er ziemlich in der Klemme«, befand Annemarie Zeller.
»Woher wissen Sie das?«, wollte Schwarz wissen, der sich bislang zurückgehalten hatte. »Ich meine das mit den Schulden.«
»Ich habe die Konten überprüfen lassen, und wir wissen doch auch anhand der Kundenadressen, die der Orthler Ihnen als Alibi gab, dass zumindest zwei davon für ihre Kokserei bekannt sind«, gab die Kommissarin in einer Tonart zurück, die keine weiteren Fragen duldete. »Stellt sich mir zumindest die Frage, ob er in der übrigen Zeit tatsächlich auf Geschäftsreise war, wie er behauptet hat, oder ob er die Fahrten lediglich nutzte, um sich neuen Stoff zu besorgen.«
»Sie haben was ?« Braunagel war kurz davor, seiner Chefin ins Gesicht zu springen.
»Sind Sie schwerhörig? Ich habe die Konten überprüfen lassen.«
Braunagel schnappte nach Luft.
» Ich leite hier die Untersuchungen und möchte wissen, warum Sie sich in meine Arbeit einmischen!«
»Braunagel!«
»Hören Sie: Ich habe allen Respekt davor, dass Sie es zur Leiterin dieses Kommissariats gebracht haben. Nein, jetzt bin ich dran«, fuhr er ihr über den Mund, als sie etwas entgegnen wollte. »Unterstellen Sie mir nicht schon wieder, dass ich Kommissariatsleiter werden wollte, als die Stelle frei geworden ist, weil das einfach nicht wahr ist. Ich habe mir sehr gut überlegt, warum ich zur Polizei gehe, glauben Sie mir. Wenn ich Lust auf reine Büroarbeit gehabt hätte, wäre ich in die Industrie gegangen!«
»Braunagel …«
»Ich bin noch nicht fertig, Frau Zeller.« Braunagel schnappte erneut nach Luft. Ihm war in diesem Augenblick völlig egal, welche Konsequenzen diese Frau aus alldem ziehen würde. Er würde nicht kampflos zulassen, dass sie sich wieder einmal in seine Ermittlungen mischte. »Ich möchte wissen, warum Sie die Konten dieses Christoph Orthler überprüfen haben lassen!« Sein Blick fiel auf den Verlobungsring an Annemarie Zellers Hand, und in diesem
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