Eiswein (German Edition)
zurück. Braunagel und Schwarz saßen vor ihrem Schreibtisch und warteten auf eine Bemerkung, die sie für den Augenblick entlassen würde.
»Gut gemacht.«
Die beiden Männer schauten sich irritiert an.
»Das haben Sie sogar sehr gut gemacht«, wiederholte ihre Chefin und lächelte ihnen aufmunternd zu. »Die Orthler wurde bereits dem Untersuchungsrichter vorgeführt, und ich glaube kaum, dass sie so schnell wieder auf das Weingut zurückkehren wird.«
»Ich fasse es einfach nicht!«, knurrte Braunagel kurze Zeit später vor sich hin. »Hätte nur gefehlt, dass sie sagt: ‚Gut gemacht, weiter so!’ Ich wäre ihr an den Hals gefahren.«
Schwarz nickte stumm.
»Die will doch einfach nur recht haben«, fuhr Braunagel fort. »Wie war das gleich noch mal? Man darf zu einer Kommissarin auf gar keinen Fall blöde Kuh sagen. Wäre Beamtenbeleidigung. Aber zu einer blöden Kuh darf man Frau Kommissarin sagen, oder nicht?«
»Eher nicht. Das wäre in dem Fall Nutztierbeleidigung.«
Als die beiden Kommissare das Gebäude verließen, hob Braunagel kurz das Kinn. Schwarz verstand: Er wollte zu seinem Lieblingscafé. Schweigend überquerten sie den Talavera-Parkplatz und gingen den Fußweg am Main entlang bis zur Alten Mainbrücke. Die Regenwolken hatten sich verzogen, die zwei Wochen lang über der Stadt hingen. Ein goldener Oktobertag. Es würde einen guten Wein geben in diesem Jahr.
Die beiden Männer ließen sich von der heiteren Stimmung mitreißen, die auf den Gesichtern der Passanten zu sehen war. Sogar Schwarz, dessen Kopf immer noch brummte, wenn sein Blutdruck etwas anstieg, hatte so etwas wie ein Lächeln im noch leicht verschwollenen Gesicht.
»Was magst du zum Cappuccino?«, fragte er Braunagel, als sie einen Tisch am Fenster ergattert und sich auf den beiden Stühlen einander gegenüber niedergelassen hatten.
»Du dürftest meine Schwäche für Bienenstich inzwischen kennen, Norbert Schwarz«, antwortete Braunagel mit gespielter Ernsthaftigkeit.
»Die auch, ja.«
Sein Kollege überging die Anspielung kommentarlos.
»Und was ist mit dir?«
»Ich würde nur zu gern wissen, was mit Christoph Orthler weiter passiert«, überlegte Schwarz und nahm die Menükarte in die Hand.
»Ich hoffe, dass er nicht wieder zu dem Scheißzeug greift, um mit seinem Leben klarzukommen, das jetzt auch nicht leichter für ihn wird. Zu wissen, dass die eigene Mutter die Mörderin der Geliebten ist, dürfte nicht so einfach wegzustecken sein. Ganz abgesehen davon, dass er mit Julia jemanden verloren hat, der ihm letztendlich viel bedeutete.«
Braunagel schaute versonnen aus dem Fenster des Cafés, beobachtete die Menschen, die über die Brücke schlenderten, und behielt gleichzeitig Simones Spiegelbild im Auge, die hinter dem Tresen herumschwirrte und ihre Gäste bediente.
»Vielleicht hilft diese Darja ihm ja drüber hinweg.« Schwarz schüttelte seufzend den Kopf und winkte dem anderen Mädchen, das schon zu ihnen herübergeschaut hatte, jetzt seine Bestellung aufnahm und damit zum Tresen eilte.
»Ich verstehe einfach nicht, warum Christoph der Neubauer nicht gesagt hat, dass er während ihrer Beziehung den Kontakt zu seiner ehemaligen Freundin wieder aufgenommen hatte«, erinnerte Braunagel an ein kurzes Gespräch mit dem jungen Winzer. Er starrte gedankenverloren auf den Kuchenteller, den die Bedienung gerade vor Schwarz auf den Tisch stellte. »Vielleicht hat’s ihm gut getan, es wenigstens uns gegenüber anzusprechen. So ein Idiot. Vielleicht würde sie noch leben, wenn sie davon gewusst hätte. Dabei hatte er mit Julia nach Maria Wörth fahren wollen, um herauszufinden, ob ihre Gefühle füreinander ausreichten, um mehr als eine erotische Begegnung draus werden zu lassen. Sieht nach austesten aus: Welche passt besser? Bei der bleib ich.«
Schwarz schüttelte den Kopf. »Scheiße gelaufen, das alles.«
»Vor allem für Julia.«
Eine Zeit lang sagte keiner der beiden etwas. Sie hingen ihren eigenen Gedanken dazu nach.
»Der junge Orthler wird noch lange Zeit daran zu knabbern haben, dass er auf dem Weg zu seinem Kurzurlaub den Anruf von Darja entgegengenommen hat, die ihm ausgerechnet da sagte, dass sie schwanger von ihm ist. Das hätte mir allerdings auch auf den Darm geschlagen!« Schwarz stach ein großes Stück Bienenstich ab, und schob es sich in den Mund. »Dass er anschließend den Mut nicht fand, Julia reinen Wein einzuschenken, ist ausgesprochen schwach.«
»Zum Glück wusste die Orthlerin nichts
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