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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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Akte wieder zuklappte und sich erhob, um sich zu verabschieden.
    »Nochmals danke«, sagte der Hauptkommissar, »dass Sie sich heute die Zeit genommen haben.« Er erhob mahnend den Finger. »Aber Sie bleiben nicht mehr zu lange hier, es ist schließlich Sonntag.«
    »Keine Angst«, antwortete sie. »Am Wochenende immer nur das Nötigste.«
    Braun ließ seinen Blick über den Stapel der Akten neben ihrem Schreibtisch schweifen, bevor er ihr wieder in die dunklen Augen sah, in denen so viel Trauer lag. Natürlich wusste er, dass sie log. Im Ausgangsfach lagen bereits die bearbeiteten Unterlagen für den Folgetag.
Er hatte zudem selten ein Büro gesehen, in dem so wenige Akten herumlagen wie in diesem. Es schien nicht die geringste Notwendigkeit für sie zu geben, das Wochenende im Büro zu verbringen.
    »Manchmal sollte man auch etwas anderes tun, als zu arbeiten«, gab er vielsagend zu bedenken. Es brach ihm das Herz, zu sehen, dass sie sich so sehr in die Arbeit stürzte.
    Sie wirkt genauso einsam und verlassen wie der im Wald herumstreunende Hund des Opfers, dachte er. Am liebsten hätte er sie mit nach Hause genommen und seine Frau gebeten, ihr heißen Kakao einzuflößen und sie zu trösten. So mancher Kummer seiner Töchter war vor dem heimischen Kachelofen auf diese Weise gelindert worden.
    Anna wich seinem Blick aus. »Wir sehen uns«, sagte sie dann mit einem Lächeln.
    »Ja«, antwortete Hauptkommissar Braun. »Hoffen wir, dass wir den Täter schnell kriegen.«
    Sie verließen das Büro, und Anna war wieder allein.

7. KAPITEL
    I ch bin gleich bei dir«, beantwortete Oberstaatsanwalt Tiedemann die Rufe seiner Tochter aus dem Badezimmer. Der täglichen Routine folgend, hatte er sich angezogen, während sie unter der Dusche war. Beim Zuknöpfen seines Hemdes stellte er ärgerlich fest, dass schon wieder einer der Knöpfe fehlte. Die Unachtsamkeit, mit der man in der Reinigung mit seinen Sachen umzugehen schien, verärgerte ihn zutiefst. Er streifte das Hemd wieder ab und suchte im Schrank nach einem neuen. Schließlich nahm er ein weiteres weißes Oberhemd von der Stange und zog es über, während er über den Flur zum Badezimmer ging.
    »Mann, ich erfriere!«, vernahm er erneut ihre Stimme, während er die Tür öffnete.
    »Bin ja schon da«, beschwichtigte er sie und schob den Rollstuhl zur Seite, um besser an die Duschwanne herantreten zu können. Er griff nach den beiden Frotteehandtüchern auf der Heizung und öffnete die ebenerdig angebrachte Duschkabine. Sie saß, den Rücken an die Wand gepresst, auf dem weißen Klappsitz. Zwei weiße Silikonschalen an der Wand stützten ihren Brustkorb und gaben ihr zusätzlich Halt. Sie blickte ihm voller Ungeduld entgegen.

    »Wo bleibst du denn?«, jammerte sie beleidigt. »Mir ist so kalt!«
    Mit der linken Hand hatte sie den auf Sitzhöhe angebrachten Wasserhahn abgedreht.
    »Hättest ja noch einen Moment das Wasser anlassen können«, gab er zurück, während er ihr das eine der Handtücher in die rechte Hand gab. Dann bückte er sich und frottierte ihre muskellosen dünnen Beine und trocknete ihr Haar.
    Sie bestand darauf, ihren Oberkörper, so gut es ging, selbst abzutrocknen. Sie bestand darauf, alles allein zu tun, was irgendwie ging. Schließlich war sie fast sechzehn Jahre alt.
    Mühsam hob sie ihren rechten Arm ein wenig und fuhr mit dem Handtuch über ihre Brüste und den Bauch. Als sie fertig war, was sie ihm mit einem ebenso mürrischen wie missbilligenden Blick zu verstehen gab, lehnte er ihren Oberkörper, den sie mit dem Handtuch bedeckte, über seinen linken Arm und frottierte mit der anderen Hand ihren Rücken, bevor er sie wieder aufrichtete.
    »Das hätten wir«, sagte er. Sie gab kein Wort von sich. Er sah in ihre permanent trotzigen Augen, seufzte und hob ihren schlaffen Körper in den Rollstuhl.
    »Hilf mir ein bisschen«, mahnte er sie. Eigentlich kam seit ein paar Wochen der Pflegedienst und half ihnen bei der Morgenroutine. Heute hatte der Dienst jedoch wie so oft angerufen, um mitzuteilen, dass der Zivildienstleistende sich wegen Personalmangels verspäte. Kein Grund für Sophie, nicht pünktlich um halb
neun fertig zu sein. Allerdings ging es ihr dabei nicht, wie sie vordergründig behauptete, darum, pünktlich in der Schule zu sein. Sophie konnte nur den Gedanken nicht ertragen, dem Zivildienstleistenden, der sie täglich gegen halb neun abholte, unfrisiert gegenüberzutreten. Auf diese Aussicht hatte sie am Morgen derart hysterisch

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