Eiswind - Gladow, S: Eiswind
kalter Rauch schlug ihnen entgegen, und Braun fragte sich wie schon so oft, was junge Leute eigentlich dazu veranlasste, ihre Freizeit in derartigen Lokalen zu verbringen.
Die Bar war relativ klein, und bei Tageslicht konnte
man erkennen, dass das Mobiliar und vor allem der weiße Anstrich der Wände schon ziemlich gelitten hatte. Die Rückseite des Bartresens war verspiegelt, um den Raum optisch ein wenig zu vergrößern. Durch die hellgrüne Neonbeleuchtung der mit Glasborden versehenen Rückwand erhielt die Bar den szenetypischen Charakter.
Braun überlegte, wie viele Alkoholflaschen wohl auf den nahezu bis zur Decke reichenden Borden Platz fanden.
Nino trat hinter den Tresen. Bendt und Braun setzten sich auf zwei der verchromten und mit Ledersitzen versehenen Barhocker, bevor Bendt das Gespräch eröffnete.
»Vielleicht haben Sie heute in der Zeitung von dem Mord im Lauerholz gelesen?«, fragte er und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort. »Eine junge Frau ist erstochen worden. Wir vermuten, dass sie sich am Donnerstagabend in Ihrer Bar aufhielt.«
»Aha.« Ninos Gesichtsausdruck verriet Desinteresse. Er war allenfalls Mitte vierzig, sah aber, vom Nachtleben gezeichnet, älter aus. Seine etwas zu langen schmierigen Haare unterstrichen unverkennbar den Typ des gealterten italienischen Playboys. Bendt war überzeugt davon, dass Nino – wenn inzwischen vielleicht auch mit abnehmendem Erfolg – noch heute die eine oder andere seiner grundsätzlich extrem attraktiven Barmädels flachzulegen versuchte.
Bendt zog ein Porträtfoto der Verstorbenen aus der Tasche und legte es vor Nino auf den Tresen. Dieser
blickte nur kurz auf das Bild und sagte dann: »Weiß ich nicht, ob die hier war. Kenn ich nicht.«
Bendt tippte energisch mit dem Finger auf das Bild und sah Nino scharf an, während er sich über den Tresen beugte. »Hör mal, Kumpel«, sagte er dann mahnend. »Dein Laden hier ist keine Massendisco – wie viele Leute kriegst du hier rein? Vielleicht vierzig, maximal fünfzig, wenn es ganz super läuft. Und du willst mir ernsthaft erzählen, dass dir da ausgerechnet diese tolle Biene, die hier Stammkundin war, nicht aufgefallen ist?«
»Die hätte ja sogar ich bemerkt«, mischte sich Hauptkommissar Braun ein und fügte augenzwinkernd in Ninos Richtung hinzu: »So alt, dass wir schon blind wären, sind wir beide doch nun auch noch nicht, oder?«
Nino ließ seinen Blick erneut widerwillig über das Bild wandern. »Mag sein, dass ich die hier das eine oder andere Mal gesehen habe«, sagte er dann ausweichend.
Bendts Miene brachte unmissverständlich zum Ausdruck, dass er mehr hören wollte.
»Kam meistens mit zwei anderen Schnecken hierher«, ergänzte Nino daraufhin. »Alle hübsch.«
»Geht doch«, fuhr Bendt zufrieden fort. »Und was war am Donnerstag?«
Jetzt beugte sich Nino ein Stück vor und fixierte seinerseits Bendt. »Hör mal, Meister«, zischte er. »Das ist hier keine katholische Klosterschule, sondern eine Bar, klar? Ich führ hier kein Buch darüber, wer hier ein und aus geht und vor allem nicht, wann, ja? Bei mir muss man sich weder an- noch abmelden.«
»Das ist allerdings sehr bedauerlich«, sagte Bendt.
Sie waren sich nun so nahe, dass sich ihre Nasen fast berührten. Mit gesenkter Stimme fuhr Bendt fort: »Wenn hier nämlich Buch geführt würde, könnte man nämlich sicher sehen, dass das eine oder andere Mädchen, das hier ein und aus geht, noch unter sechzehn ist.«
»Eben«, seufzte jetzt Hauptkommissar Braun gelangweilt. »Und solche Razzien sind ja auch eher schlecht fürs Geschäft.« Interessiert musterte er seine Fingernägel, als wolle er die Beiläufigkeit seiner Äußerung unterstreichen.
»Stimmt«, pflichtete Bendt seinem Kollegen bei. »Das kann so einen Abend ganz schön kaputt machen.«
»Ich sag euch, was das Geschäft kaputt macht!«, schnaubte Nino. »Wenn mir die Presse hier auf den Pelz rückt und morgen in der Zeitung steht, dass das Schneckchen ihren Mörder im Cube kennengelernt hat! Vielleicht wird die Geschichte dann noch schön garniert mit einer Analyse des immer schlechter werdenden Publikums bei mir, und dann kann ich meine Bude zumachen! Ist eh schwer genug, mein Geschäft. Heute ist dein Laden top und morgen ein Flop.«
»Ist schon ein schweres Schicksal, das du da trägst«, sagte Bendt ironisch. »Aber vielleicht kannst du ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, dass wir die Ermittlungen in diesem Mordfall nicht zum Schutz deiner
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