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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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zu haben, ob er selbst am Vortag im Wald war.«
    Anna dachte nach. »Einen Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses werde ich auf jeden Fall stellen«, sagte sie dann mehr zu sich selbst als zu ihm. »Hoffen wir, dass er erlassen wird. Sollte das nicht der Fall sein, wäre es sinnvoll, Woltereck zunächst detailliert als Zeugen zu vernehmen und ausdrücklich danach zu fragen, ob er zur Tatzeit am Wald war. Sollte er sich dabei in Widerspruch zu den Angaben des Zeugen Böll setzen, hätten wir immer noch die Möglichkeit zu durchsuchen.«
    Bendt nickte zustimmend. »Daran habe ich auch schon gedacht.«
    »Was wissen wir eigentlich über den Zeugen persönlich?«, fragte Anna. »Gibt es irgendwelche Hinweise auf ein Motiv?«
    Bendt schüttelte den Kopf. »Auf den Vernehmungsbeamten hat er eher einen etwas verhuschten Eindruck gemacht«, sagte er dann. »Ansonsten wissen wir nur, dass er ledig ist und allein lebt. Laut den polizeilichen Datenbanken ist er nie strafrechtlich in Erscheinung getreten.«

    Anna stützte ihre Ellbogen auf den Schreibtisch auf, legte ihr Kinn in die Handflächen und sah Bendt in Gedanken versunken an.
    »Es ist schon nach sechs«, sagte sie dann. »Heute werden wir keinen Richter mehr erreichen. Außerdem brauche ich für den Antrag das Go von Oberstaatsanwalt Tiedemann.«
    »Wir wollten morgen früh durchsuchen«, nahm Bendt ihre Frage vorweg.
    »In Ordnung«, sagte sie. »Ich mache den Antrag heute noch fertig und sorge dafür, dass er morgen früh bei Gericht ist. Wenn der Antrag erlassen wird, können Sie ihn morgen dort abholen.«
    Bendt bedankte sich und stand auf. Sie blickte kaum auf, als sie sich verabschiedeten, und schien schon ganz in ihre nächste Akte vertieft zu sein, als er noch nicht einmal aus der Tür war.
    Er hielt noch einen Moment lang inne, und sie blickte zu ihm auf. Widerwillig stelle er fest, dass ihn die Mischung aus Strenge und Melancholie in ihren Augen faszinierte.
    »Ist sonst noch was?«, fragte Anna.
    Es entstand eine kleine Pause. »Es tut mir leid wegen der Feier«, sagte er dann.
    »Das macht nichts«, gab sie zurück. »Sie haben mich zwar um ein erlesenes Behördenbuffet gebracht, aber das ist schon okay.«
    Er musste unwillkürlich lachen. »Wollen Sie vielleicht jetzt etwas essen?«, fragte er dann. »Ich meine, soll ich ihnen was besorgen?«

    Ausgerechnet von Bendt hätte Anna ein solch entgegenkommendes Angebot nicht erwartet.
    »Nein«, gab sie überrascht zurück und fügte lächelnd hinzu: »Ich bin heute noch zum Essen verabredet. Aber danke für das Angebot.«
    Er zuckte mit den Schultern und ging.
    Ihr Blick ruhte noch auf der geschlossenen Tür, als seine dumpf auf dem Boden verhallenden Schritte sich schon eine Weile entfernt hatten.

18. KAPITEL
    V on der Straße aus konnte er sehen, dass in ihrem Büro noch Licht brannte. Der Rest des Gebäudes lag in friedlicher Dunkelheit. Er widerstand dem Drang, zu ihr hinaufzugehen. Wahrscheinlich sitzt sie dort über ihren Akten im Schein der Schreibtischlampe und reibt sich ihren verspannten Nacken, dachte er. Er stellte sich vor, wie der Hund unter ihrem Schreibtisch lag und sie mit den Füßen zärtlich sein Fell kraulte, während sie arbeitete.
    Sie war ihm bereits vertraut geworden. Er kannte ihre Gewohnheiten. Sie arbeitete oft sehr lange, bevor sie in die nahe gelegene Tiefgarage ging, in der sie ihr Auto abgestellt hatte. Jeder Schritt, den sie unternahm, schien ihm bereits bekannt. Sie ahnte nicht, wie nahe er ihr bereits gekommen war. Er kannte den Geruch ihrer Haut und den verführerischen Duft ihrer Haare. Er folgte ihr wie ein Schatten, immer auf der Hut, um nicht irgendwann ertappt zu werden.
    Es war bereits spät. Bald würde sie den Weg nach Hause antreten. Sie wohnte in einem beeindruckenden Haus. Ein Haus, wie es sich nur die leisten konnten, die es im Leben zu etwas gebracht hatten. Sie konnte von ihrem Küchenfenster aus bis zum Horizont schauen.

    Er hatte sie schon durch dieses Küchenfenster beobachtet, wenn sie das Frühstück vorbereitete und an dem schmalen Tresen saß und Zeitung las.
    Sie besaß einen schneeweißen Bademantel. Darin sah sie aus wie ein Engel. Viele Frauen sahen aus wie Engel, das war das Tückische an ihnen. Er fragte sich, was sie morgens unter ihrem Bademantel anhatte. Ob sie überhaupt etwas darunter trug.
    Er zog den Kragen seines Mantels etwas fester zusammen. Es war sehr kalt an diesem Abend. Die Turmuhr schlug bereits neun. Es würde nicht

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