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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Trauen Sie sich das zu, oder soll ich das Gebirgstruppenkommando
bitten, uns eine Brigadeeinheit zu schicken?«
    Vincenzo lachte bitter in sich hinein. Ob er sich das zutraute?
Rhetorische Frage. Allerdings hätten sie früher an die Gebirgsjäger denken
sollen, jetzt war es dafür zu spät. Andererseits war es vielleicht besser so.
So gab es, falls er auf Oberrautner traf, keine Zeugen für das, was dann
passierte. Noch mal würden fünfzehn Patronen ihr Ziel nicht verfehlen.
    Sie hatten das Val Vermiglio erreicht. Mit hypnotischer
Gleichmäßigkeit trommelte der Regen auf die Windschutzscheiben. Nur ein
gleichmäßiges tiefes Grollen, das aus allen Richtungen zu kommen schien,
verriet den tosenden Sturm. Das Thermometer zeigte auf tausend Metern Höhe drei
Grad plus an.
    Sie kamen nach Vermiglio, dem Hauptort des Tals, der noch
zweihundert Meter höher lag. Dort mischten sich bereits dicke Schneeflocken in
die Regenwand. Baroncini bedeutete dem Carabiniere, an einer Bushaltestelle
anzuhalten, und stieg aus. Er beorderte alle Wagenführer in den Schutz der
Haltestelle, um Anweisungen zu geben. Die Jeeps sollten mit Bellini und Marzoli
weiterfahren, so hoch wie möglich auf den Berg. Bellini erhielt offiziell den
Auftrag, dem Schneesturm trotzend den Weg auf den Gletscher zu suchen. Die
anderen sollten sich am Wegesrand postieren, um Bellini im Falle einer
Verfolgung durch Oberrautner Deckung zu geben.
    Die Einsatzwagen sollten sich auf drei Positionen verteilen: Zwei in
der Nähe des »Chalet Al Foss«, wo Oberrautner, falls er entkam, zwei
Möglichkeiten hatte: entweder zurück ins Tal oder hinauf zum Passo del Tonale,
sofern der Schnee das zuließ. Er selbst würde mit zwei Wagen in Vermiglio
bleiben. Ein Wagen sollte sich im Ortszentrum postieren, der andere weiter
unten, denn neben der Hauptstrecke, die am »Chalet Al Foss« vorbeiführte, gab
es in der Talsenke, in Flussnähe, noch eine kleine Nebenstraße. Auf diese Weise,
so hoffte Baroncini, konnten sie die drei möglichen Fluchtwege im Blick
behalten.
    ***
    Presanellagletscher, 15.30 Uhr
    Sabine Mauracher arbeitete sich konzentriert durch den
Eiskanal vor. Sie hatte ihre Grödeln übergestreift, um auf dem blanken Eis
besseren Halt zu haben. Es herrschte eine gespenstische Atmosphäre. Überall
knarrte und ächzte es, von irgendwoher war das Pfeifen des Windes zu hören.
Wiederholt blieb sie stehen, um in beide Seiten des Ganges zu lauschen. Waren
da nicht auch Schritte zu hören? Oder spielte ihr ihre Phantasie einen Streich?
Es war nicht zu entscheiden.
    Sie ging langsam weiter. Vor ihr tauchte ein markanter Rechtsknick
auf.
    ***
    Im Gletscher, 15.31 Uhr
    Gianna hatte sich einen Tee gekocht. Sie wurde zusehends
nervöser. Wo blieb der Mann? Hatte Vincenzo ihn vielleicht festgenommen in der
Hoffnung, er würde ihr Versteck verraten? Zuzutrauen wäre es ihm. Dann würde
niemand kommen, um sie zu holen! Der Schneesturm war mit Sicherheit in vollem
Gange. Sie hatte die Vorräte geprüft, die er ihr mitgebracht hatte. Wenn sie
damit haushaltete, würden sie für eine Woche reichen. Wasser hatte sie genug.
Sie konnte jederzeit etwas von dem Eis auftauen. Sollte sie jemals lebend hier
rauskommen, war ihr schöner Kommissar ihr die eine oder andere Erklärung
schuldig.
    Sie goss sich eine zweite Tasse Tee ein, blätterte lustlos in der
»Brigitte«. Plötzlich vernahm sie das vertraute Geräusch von Schritten aus dem
Gang. Endlich, er kam zurück!
    Oder doch nicht? Gianna lauschte angestrengt. Das waren nicht seine
Schritte, das klang wie ein Kratzen auf dem Eis. Instinktiv wich sie hinter das
Zelt zurück, behielt aus ihrer Deckung heraus den Gang im Blick. Eine zierliche
Gestalt trat in die Kaverne, auf dem Rücken einen Rucksack, der fast so groß
war wie sie. War das ein Kind? Der fremde Besucher sah sich um, erblickte
Giannas Zeltplatz, ging zielstrebig darauf zu. Gianna konnte eine junge,
zierliche Frau erkennen, von der wohl keine Bedrohung ausging. Sie kam aus
ihrer Deckung hervor, um ihr entgegenzugehen.
    »Signora dal Monte! Mein Gott, dass ich Sie tatsächlich gefunden
habe! Das war meine einzige und letzte Hoffnung. Kommen Sie, wir müssen schnell
weg von hier!« Mauracher griff nach Giannas Ärmel, doch sie wich zurück.
    »Wer sind Sie?«
    Mauracher schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Das
Wichtigste hatte sie in der Aufregung vergessen. Sie zeigte ihre Dienstmarke,
erklärte Gianna in gebotener Kürze, wer sie entführt hatte und wie

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