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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Hilflosigkeit und
Lethargie.
    Er zog seine Sportsachen an, steckte das Handy ein, rannte los. Raus
aus dem Haus, das erste steile Wiesenstück hinauf, oben ein paar Liegestütze,
hinuntertraben, wieder hinaufsprinten, Liegestütze. Zwanzig Minuten, aber sie
reichten, um Vitalität und Entschlusskraft in ihm erwachen zu lassen.
    Durchnässt von Regen und Schweiß kam er zurück. Er griff sofort zum
Hörer. Das Duschen musste warten.
    ***
    St. Pankraz
    Er blickte voller Verdruss aus dem Fenster. An dreihundert
Tagen im Jahr schien in Südtirol die Sonne. Das behaupteten zumindest die
einschlägigen Reiseführer. Entweder sie logen, oder er hatte die übrigen
fünfundsechzig Tage erwischt. Das ganze Ultental war in Wolken gehüllt,
pappiger Schnee rieselte unaufhörlich in den Hof. Man konnte sich nicht
vorstellen, dass es jemals wieder aufhören würde. Das war schlecht für seine
Pläne, sehr schlecht. Er hatte nicht genügend Zeit, stand unter Druck, musste
zusehen, dass er vorankam. Je länger es schneite, desto schwieriger wurde es
für ihn, in die Berge zu kommen. Darauf war er aber angewiesen. Er hatte alles
von langer Hand vorbereitet, nichts dem Zufall überlassen. Er hatte auch
einkalkuliert, dass es ein paar schlechte Tage geben könnte, mit Schnee in den
Bergen. Aber mit dieser Kältewelle war nicht zu rechnen gewesen, nicht Anfang
Oktober. Das Ärgerliche war, dass er einen exakten Zeitplan einhalten musste,
den er nicht beschleunigen konnte. Immerhin sah dieser Plan für morgen einen
Tag im Tal vor. Da spielte der Schneefall keine Rolle.
    Aus dem Einheitsgrau tauchte eine Gestalt auf, die sich seinem
Ferienhaus näherte. Frau Hofer, bewaffnet mit Regenschirm und einer
Kuchenplatte. Er lächelte in sich hinein. Ihm war zwar bewusst, dass Frauen auf
ihn und seinen Charme flogen, aber das interessierte ihn nur, wenn sie jünger
waren. Er hoffte, dass sie es bei einem gelegentlichen Kaffeeklatsch beließ,
sonst würde er ihr bedauerlicherweise einen Korb geben müssen.
    Es klopfte. Sie hatte nicht bemerkt, dass er hinter dem Fenster
stand. Er öffnete mit einem breiten Grinsen: »Frau Hofer! Welch erfreulicher
Anblick! Und was haben Sie da mitgebracht?« Er klatschte in die Hände. »Kuchen!
Bestimmt alles selbst gemacht, habe ich recht? Kommen Sie rein. Ich setzte
gleich einen Kaffee auf.«
    Verlegen zu Boden blickend folgte sie ihm in die große Wohnküche,
die ihr ganzer Stolz war. Als sie den Stall zu einem Ferienhaus umbauen ließ,
hatte sie sich nach reiflicher Überlegung gegen ein separates Wohnzimmer
entschieden. Stattdessen gab es die riesige Küche, mehr als fünfzig
Quadratmeter. Das war besser für Familien mit Kindern, so hatten sie ihren
Nachwuchs immer gut im Blick. Eingerichtet war sie mit modernen Küchengeräten,
einer semiprofessionellen Kaffeemaschine, einem großen LCD -Fernseher
und einem wunderschönen Specksteinofen. Der war ökologisch sinnvoll und
verbreitete eine gleichmäßige, heimelige Wärme in der Stube. An Tagen wie
diesen, wenn es draußen eisig kalt war, konnte man es sich auf der halbrunden
Sitzbank vor dem Ofen gemütlich machen.
    Sie sah Alois Stadler zu, wie er die Kaffeemaschine anstellte,
zielstrebig Geschirr aus den Schränken holte und auf den Tisch stellte, eine
Kerze anzündete. So, als wohnte er hier schon seit Ewigkeiten. Er strotzte vor
Selbstvertrauen. Was für eine charismatische Erscheinung! Stilvoll gekleidet,
dezent, aber garantiert teuer. Das erkannte sogar sie. Seine geschmeidigen
Bewegungen, seine tiefe Stimme, seine sanften Augen. Auch wenn sein Blick etwas
Lauerndes hatte, aber das verlieh ihm eine geheimnisvolle Aura. Ach, wäre sie
doch zwanzig Jahre jünger! Oder wenigstens zehn. Sie ging zum Esstisch, begann,
das Geschirr zu verteilen.
    »Frau Hofer, ich muss doch sehr bitten! Sie sind mein Gast. Schlimm
genug, dass Sie im Gegensatz zu mir an Kuchen gedacht haben. Machen Sie es sich
gemütlich, um den Rest kümmere ich mich.« Ein paar geübte Handgriffe, schon
saßen sie sich mit ihren dampfenden Tassen gegenüber.
    »Sie haben leider Pech mit dem Wetter, Herr Stadler. Kommen Sie
überhaupt zum Fotografieren?«
    Er umfasste die Tasse mit beiden Händen. »Kaum, leider. Das hatte
ich mir schon anders vorgestellt.«
    Maria Hofer brannte seit Stunden eine Frage auf der Zunge. »Wo waren
Sie eigentlich heute Vormittag, Herr Stadler, oder ist die Frage zu indiskret?«
    »Keineswegs, Frau Hofer. Nur kurz im Ort, ein paar Besorgungen
machen. Freiwillig

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