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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nur eine einzige Stimme war. Ihre eigene. Sie stieß harte Geräusche der Panik in ihre Gesichtsmaske aus, doch da ihre Ohren sich nicht unter der Maske befanden, hörte sie ihre eigenen Schreie nur, weil sie durch ihre Schädelknochen vibrierten. Sie klangen wie das Wehklagen verdammter Seelen, weil in diesem Augenblick die Hölle ein Ort in ihr selbst war, eine dunkle Ecke in ihrem Herzen.
    Sie schielte an Brian vorbei und konzentrierte sich verzweifelt auf die schattenhafte Gestalt tiefer an dem Kabel: Harry. Er war in der Finsternis kaum sichtbar, trat in die schwarze Leere hinab, so nah und doch so fern. Vier oder fünf Meter trennten Rita von Brian. Der Junge war knapp zwei Meter groß, und dann noch einmal drei, dreieinhalb Meter zwischen ihm und Harry: Zehn, zwölf Meter trennten sie von ihrem Mann. Es kam ihr wie ein Kilometer vor. Solange sie an Harry dachte und an die guten Zeiten, die sie gemeinsam haben würden, nachdem sie diese schwere Prüfung überstanden hatten, konnte sie sich davon abhalten, in ihre Gesichtsmaske zu schreien, und weiterschwimmen. Paris. Das Hotel George V. Eine Flasche guten Champagners. Sein Kuß. Seine Berührung. Wenn sie sich nicht von ihren Ängsten überwältigen ließ, würden sie all das wieder miteinander erleben.
     
    Harry schaute zu Rita zurück. Sie war noch dort, wo sie sein sollte, folgte Brian das Kommunikationskabel hinab.
    Er blickte wieder nach vorn und sagte sich, daß er sich zu große Sorgen um sie machte. Im allgemeinen galten Frauen als ausdauernder als Männer. Und wenn dies zutraf, traf es besonders auf diese Frau zu.
    »Halte durch«, sagte er, als könne sie ihn hören, und lächelte.
    Als sie vielleicht fünfzig Meter tief im dunklen Tunnel waren, hielt Roger endlich an und machte eine Pause. Er schlug einen Salto, als gehöre er einem Unterwasserballett an, und drehte sich an dem Seil um, bis er Harry in einer natürlichen Position betrachten konnte: den Kopf oben, die Füße unten.
    Fünf Meter hinter Roger hielt auch Harry an und wollte ebenfalls einen Purzelbaum schlagen, als Rogers Halogenlampe erlosch. Hinter Harry leuchteten noch zwei Lampen, aber ihre Lichtstrahlen wurden vom trüben Wasser zerstreut und erreichten ihn und Roger nicht mehr. Er war von Dunkelheit umhüllt.
    Einen Augenblick später prallte Breskin mit ihm zusammen. Harry konnte sich nicht an dem Kommunikationskabel festhalten. Sie taumelten in einem absteigenden Winkel zur Tunnelwand in die Dunkelheit hinab. Harry begriff nicht, was los war. Dann spürte er, daß eine Hand sich um seine Kehle legte, und wußte, daß er in Schwierigkeiten steckte. Er prügelte auf Breskin ein, legte all seine Kraft in die Schläge, doch das Wasser absorbierte die Kraft seiner Stöße und verwandelte sie in ein verspieltes Tätscheln.
    Breskins Hand schloß sich immer enger um Harrys Kehle. Harry versuchte, den Kopf zur Seite oder nach hinten zu reißen, konnte sich aber nicht befreien. Der Gewichtheber hatte einen eisernen Griff.
    Breskin trieb ein Knie in Harrys Magen, doch das Wasser arbeitete gegen ihn und verlangsamte und dämpfte den Tritt. Härter und schneller als erwartet prallte Harrys Rücken gegen die Tunnelwand, und Schmerz flammte an seinem Rückgrat auf. Der größere Mann drückte ihn gegen das Eis.
    Die beiden anderen Halogenlampen — George trug die eine, Pete die andere — waren weit über ihm und etwa sechs Meter näher zur Mitte des Tunnels, verschwommen leuchtende Geisterlichter, die das trübe Wasser heimsuchten. Harry war praktisch blind. Selbst auf nächste Entfernung konnte er seinen Angreifer nicht ausmachen.
    Die Hand glitt an seiner Kehle höher, berührte sein Kinn. Die Gesichtsmaske wurde ihm abgerissen.
    Mit diesem strategischen Schlag wurde Harry der Atem und die geringe Sicht genommen, die er noch hatte, und er der mörderischen Kälte des Wassers ausgesetzt. Hilf- und orientierungslos war er für Breskin kein Bedrohung mehr, und der großgewachsene Mann ließ ihn los.
    Die Kälte war wie eine Faust voller Nägel, die in sein Gesicht gerammt wurde, und seine Körperwärme schien auszuströmen, als wäre sie eine heiße Flüssigkeit, die durch die dabei entstandenen Löcher floß.
    Entsetzt, am Rand der Panik, sich aber bewußt, daß Panik sein Tod sein konnte, rollte Harry sich in die Dunkelheit davon und griff hinter sich nach der kostbaren Maske, die am Ende des Luftschlauchs schwebte.
     
    Eine Sekunde nachdem die Lampe an der Spitze der Prozession erlosch,

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