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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gleichmäßig nach allen Seiten verteilt wurde, doch um den gewünschten Effekt zu erzielen, mußte das Loch dicht versiegelt werden. Wenn diese Sprengladungen um Mitternacht gleichzeitig mit allen anderen detonierte, würde das neue Eis im Schacht vielleicht wie ein Korken aus einer Flasche knallen, aber der weitaus größere Teil der Sprengkraft würde sich nicht einfach zerstreuen.
    Pete Johnson schlug mit den behandschuhten Knöcheln gegen den gerade entstandenen Stöpsel. »Jetzt können wir nach Edgeway zurückkeh...«
    Die Eishülle machte einen Satz, sprang vor, neigte sich vor ihnen scharf, kreischte wie ein riesiges Ungeheuer und ächzte dann noch einmal, bevor sie auf ihre ursprüngliche Höhe zurückfiel.
    Harry wurde auf den Bauch geworfen. Seine Brille drückte hart gegen seine Wangen und Brauen. Tränen schossen ihm in die Augen, als in seinen Wangenknochen Schmerz anschwoll. Er fühlte warmes Blut aus seiner Nase tropfen, und auch in seinem Mund war der Geschmack von Blut.
    Pete und Claude waren gestürzt und hielten einander fest. Harry konnte einen kurzen Blick auf sie werfen; wie zwei Ringer hielten sie einander grotesk umschlungen.
    Das Eis erzitterte erneut.
    Harry rutschte gegen ein Schneemobil. Das Fahrzeug sprang auf und ab. Er hielt sich mit beiden Händen daran fest und hoffte, daß es nicht über ihn hinwegrollen würde.
    Sein erster Gedanke war gewesen, daß der Plastiksprengstoff unter seinen Händen explodiert und er tot war oder im Sterben lag. Doch als das Eis sich erneut hob, wurde ihm klar, daß Flutwellen, die zweifellos von einem Meeresbeben erzeugt worden waren, unter der polaren Eisdecke entlangrasen mußten.
    Als die dritte Welle einsetzte, neigte sich die weiße Welt um Harry und riß auf, als würde ein prähistorisches Geschöpf sich unter ihm aus langem Schlaf erheben, und er fand sich auf dem oberen Ende einer schrägliegenden Eisplatte wieder. Nur die Massenträgheit hielt ihn an der höchsten Stelle des Gef älles alles in der Luft. Jeden Augenblick mochte er gemeinsam mit dem Schneemobil hinabrutschen und würde vielleicht von dem Fahrzeug zerquetscht werden.
    In der Ferne durchdrang das Geräusch von zersplitterndem, knirschendem Eis die Nacht und den Wind: die unheilvollen Proteste einer spröden Welt, die unter ihnen zerbrach. Das Tosen wurde von einer Sekunde zur anderen lauter, und Harry bereitete sich auf das schlimmste vor.
    Dann, so plötzlich, wie das Grauen begonnen hatte — vor nicht einmal einer Minute —, hörte es auch wieder auf. Die Eisebene senkte sich, wurde wieder waagerecht und lag völlig ruhig da.
     
    Nachdem Rita weit genug gelaufen war, um vor einem Eisschlag von der Aufwerfung in Sicherheit zu sein, blieb sie stehen, drehte sich um und schaute zu dem vorübergehenden Lager zurück. Sie war allein. Franz war nicht aus dem Iglu aufgetaucht.
    Ein lastwagengroßes Stück der Eiswand brach ab und fiel mit unheimlicher Anmut zu Boden, prallte auf das unbewohnte Iglu am Ende des halbmondförmig errichteten Lagers. Die aufblasbare Kuppel platzte wie ein Luftballon.
    »Franz!«
    Ein viel größerer Teil der Wand brach zusammen. Platten, Spitzen, Brocken und Scheiben aus Eis stürzten in das Lager, zerbarsten zu gefrorenen Granatsplittern, zerquetschten das Iglu in der Mitte, warfen ein Schneemobil um, rissen das Iglu am linken Ende des Lagers auf, aus dem Franz noch immer nicht hervorgekommen war, und warfen Tausende von Eissplittern hoch, die wie ein Funkenregen glitzerten.
    Sie war wieder sechs Jahre alt, schrie, bis ihr die Kehle zugeschnürt wurde — und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie nach Franz oder nach ihrer Mutter und ihrem Vater gerufen hatte.
    Ob sie ihn nun noch rechtzeitig hatte warnen können oder nicht, Franz kroch jedenfalls aus der zerstörten Nylonkuppel um ihn herum hervor, während seine Umgebung von Eis geradezu überschwemmt wurde, und taumelte auf Rita zu. Rechts und links neben ihm explodierten Granaten aus Eis, als wären sie mit einem Mörser abgefeuert worden, doch er hatte den Antritt eines Außenläufers beim Football, und das Entsetzen verlieh ihm Flügel. Er stürmte an der Lawine vorbei in Sicherheit.
    Als die Aufwerfung sich stabilisierte und kein Eis mehr hinabfiel, wurde Rita von einer lebhaften Vision von Harry erschüttert, der irgendwo anders in dieser grausamen, schwarzen und weißen Polarnacht von einem leuchtendweißen Monolithen zerquetscht wurde. Sie taumelte, aber nicht wegen der Bewegung des

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