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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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loszulassen, um sie sauberzuwischen, schaute Brian über die Schulter.
    Schreiend glitt George Lin auf den Rand der neuen Gletscherspalte zu. Er versuchte, sich an dem glatten Eis festzuhalten. Als die letzte Woge des Tsunamis unter ihnen hinwegglitt und die Eisdecke sich wieder senkte, stürzte Lin außer Sicht und in den Abgrund.
     
    Franz hatte vorgeschlagen, daß Rita die Ausrüstung zusammenpackte und er die schweren Geräte zu den Anhängern der Schneemobile trug. Er verhielt sich ›dem schwächeren Geschlecht‹ gegenüber unterbewußt so herablassend, daß Rita seinen Vorschlag ablehnte. Sie zog die Kapuze hoch, ließ die Brille wieder über ihre Augen gleiten und hob einen der bereits gepackten Kartons hoch, bevor der Meteorologe mit ihr streiten konnte.
    Als sie draußen die wasserdichte Kiste in einen der tiefliegenden Anhänger stellte, rüttelte das erste Beben das Eis auf. Sie wurde nach vorn auf die Kartons geschleudert. Eine stumpfe Ecke stach ihr in die Wange. Sie rollte vom Anhänger hinab und fiel in den Schnee, der während der vergangenen Stunde gegen das Fahrzeug geweht worden war.
    Sie rappelte sich gerade benommen und verängstigt wieder auf, als die Hauptwoge des Tsunamis kam. Die Motoren der Schneemobile liefen bereits, sollten für die Rückfahrt nach Edgeway aufgewärmt werden, und ihre Scheinwerfer durchdrangen den fallenden Schnee und spendeten soviel Licht, daß Rita sehen konnte, wie der erste breite Riß in der vertikalen, fast fünfzehn Meter hohen Eisaufwerfung erschien, die das vorübergehende Lager geschützt hatte und nun bedrohte. Ein zweiter Riß spaltete sich vom ersten ab, dann ein dritter, ein vierter, zehn, hundert, wie das verzweigte Netzwerk von Rissen in der Windschutzscheibe eines Autos, die von einem Stein getroffen worden war. Über kurz oder lang würde die gesamte Fassade zusammenbrechen.
    Sie rief Fischer eine Warnung zu, der noch immer im Iglu am westlichen Ende des Lagers war. »Lauf, Franz! Raus da! «
    Dann befolgte sie ihren eigenen Ratschlag, wobei sie nicht zurückzuschauen wagte.
     
    Die sechzigste Sprengladung unterschied sich in keiner Hinsicht von den neunundfünfzig, die vor ihr im Eis angebracht worden waren: sechs Zentimeter Durchmesser, anderthalb Meter Länge, mit glatten, abgerundeten Ecken. Ein moderner Zeitzünder, der mit denen in den anderen neunundfünfzig Rohren synchronisiert worden war, vereinnahmte das untere Ende des Zylinders. Der Großteil der Röhre war mit Plastiksprengstoff gefüllt. Das obere Ende der Walze lief in einer Stahlschlaufe aus, und ein gebogener Karabinerhaken verband eine Kette aus gehärtetem Stahl mit der Öse.
    Harry Carpenter rollte die Kette von der Trommel einer kleinen Handwinde ab und senkte die Fracht — fünfzehn Kilo Gehäuse und fünfzig Kilo Plastiksprengstoff — in das schmale Loch. Dabei ging er sehr vorsichtig vor, denn die Sprengkraft entsprach der von dreitausend Pfund TNT. Er ließ siebenundzwanzig Meter Kette hinab, bis er spürte, daß der Boden des Zylinders den des fast neunundzwanzig Meter tiefen Bohrschachts berührte. Dann verband er einen weiteren Karabinerhaken mit dem freien Ende der Kette, zog die einzelnen Glieder an der Wand des Schachts stramm und befestigte den Karabiner an einem Dübel, der neben dem Loch in das Eis eingelassen war.
    Pete Johnson hockte neben Harry. Er schaute über die Schulter zu dem Franzosen und rief über den schneidenden Wind hinweg: »Wir sind fertig, Claude.«
    Ein Faß, das sie mit Schnee gefüllt hatten, stand auf elektrischen Heizschlangen in einem der Anhänger. Es war bis zum Rand mit kochendem Wasser gefüllt. Dampf hob sich von der Oberfläche des Wassers, erstarrte augenblicklich zu Wolken funkelnder Kristalle und wurde von dem wirbelnden Schnee absorbiert, so daß es den Anschein hatte, eine endlose Prozession von Geistern erhebe sich aus dem Kessel eines Hexenmeisters, um in die höchsten Schichten der Erdatmosphäre zu fliehen.
    Claude Jobert befestigte einen Schlauch an einer Ventilklappe des Fasses. Er öffnete das Ventil und gab Carpenter die Tülle.
    Harry öffnete den Ablaßhahn und ließ heißes Wasser aus dem Schlauch in den tiefen Schacht strömen. Nach drei Minuten war das Loch versiegelt: Die Bombe wurde von neuem Eis umschlossen.
    Hätte er den Schacht offen gelassen, wäre die Wucht der Explosion nach oben entwichen und hätte nichts bewirkt. Die Sprengladung war so geschaffen, daß die Explosion nach unten erfolgte und ihre Energie

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