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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vor Zigarettenrauch, Parfüm und Whisky. Wenn die Kapelle spielte, war sie laut genug, um Gläser zerspringen zu lassen. Die wenigen Male, die Harry mit Rita sprechen wollte, mußte er schreien, obwohl sie nur einen halben Meter auseinander saßen, an gegenüberliegenden Seiten eines winzigen Cocktailtischchens.
    Die Bühnenshow ließ ihn den Lärm und Rauch vergessen. Die Mädchen waren prächtig. Lange Beine. Volle, hohe Brüste. Winzige Taillen. Betörende Gesichter. Eine größere Vielfalt, als das Auge verkraften konnte. Mehr Schönheit, als der Verstand erfassen oder das Herz schätzen konnte. Dutzende von Mädchen, die meisten barbrüstig. Alle möglichen Kostüme, die meisten knapp: Lederriemen, Ketten, Pelze, Stiefel, juwelenbesetzte Kragen, Federn, Seidentücher. Ihre Augen waren stark geschminkt, und einige trugen Zierbemalungen auf den Gesichtern und Körpern.
    »Nach einer Stunde wird das langweilig«, sagte Rita. »Sollen wir gehen?« Und draußen sagte sie: »Wir haben noch gar nicht über mein Buch gesprochen, und das wollten Sie eigentlich doch. Wissen Sie was? Wir gehen zum Hotel George V, trinken Champagner und unterhalten uns.«
    Er war etwas verwirrt. Sie schien widersprüchliche Signale auszusenden. Waren sie nicht ins Crazy Horse gegangen, um sich anmachen zu lassen? Hatte sie nicht erwartet, daß er danach einen Annäherungsversuch unternahm? Und jetzt wollte sie über Bücher sprechen?
    »Gibt es hier ein Dachrestaurant?« fragte er, als sie durch die Lobby des George V gingen und den Fahrstuhl betraten.
    »Keine Ahnung. Wir gehen auf mein Zimmer.«
    Seine Verwirrung wuchs. »Sie wohnen nicht im Tagungshotel? Ich weiß, es ist langweilig, aber das hier ist unglaublich teuer.«
    »Ich habe an Das Morgen verändern eine Kleinigkeit verdient, und jetzt bin ich einmal verschwenderisch. Ich habe eine kleine Suite mit Blick auf den Garten.«
    In ihrem Zimmer stand neben ihrem Bett in einem silbernen Sektkübel voller zerstoßenem Eis eine Flasche Champagner. »Moet. Würden Sie bitte die Flasche öffnen?«
    Er nahm sie aus dem Kübel — und sah, daß sie zusammenzuckte.
    »Das Geräusch des Eises«, sagte sie.
    »Was ist damit?«
    Sie zögerte. »Es tut mir in den Zähnen weh. Wie Fingernägel, die über eine Schiefertafel kratzen.«
    Mittlerweile hatte er sich so gut auf sie eingestellt, daß er wußte, daß sie ihm nicht die Wahrheit sagte und zusammengezuckt war, weil das Rütteln des Eises sie an etwas Unangenehmes erinnert hatte. Einen Moment lang waren ihre Augen weit entfernt, hatten sich in einer Erinnerung verloren, die sie die Stirn runzeln ließ.
    »Das Eis ist kaum geschmolzen«, sagte er. »Wann haben Sie den Champagner bestellt?«
    Sie schüttelte die beunruhigende Erinnerung ab, konzentrierte sich auf ihn und grinste wieder. »Als ich im Laperouse auf die Toilette ging.«
    » Sie verführen mich! « sagte er ungläubig.
    »Wissen Sie, das zwanzigste Jahrhundert neigt sich seinem Ende zu.«
    »Na ja«, sagte er und nahm sich dabei selbst auf die Schippe, »eigentlich ist mir schon aufgefallen, daß heutzutage manche Frauen die Hosen anhaben.«
    »Stört Sie das?«
    »Frauen in Hosen?«
    »Daß ich versuche, Sie aus den Ihren rauszubekommen.«
    »Großer Gott, nein.«
    »Wenn ich zu kühn gewesen bin ...«
    »Überhaupt nicht.«
    »Eigentlich habe ich so was noch nie gemacht. Ich meine, schon nach der ersten Verabredung mit einem Mann ins Bett zu gehen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Nicht mal bei der zweiten oder dritten Verabredung.«
    »Ich auch nicht.«
    »Aber es kommt uns doch richtig vor, nicht wahr?«
    Er stellte die Flasche in das Eis zurück und nahm sie in die Arme. Ihre Lippen kamen ihm vor wie ein Traum, und ihr Körper fühlte sich an dem seinen wie das Schicksal an.
    Sie verzichteten auf den Rest des Kongresses und blieben im Bett. Sie ließen sich die Mahlzeiten aufs Zimmer bringen. Sie unterhielten sich, liebten sich und schliefen dann wie betäubt.
     
    Jemand rief seinen Namen.
    Steif vor Kälte, mit Schnee verkrustet, riß Harry sich aus den köstlichen Erinnerungen und richtete sich auf der Ladefläche des Anhängers auf. Dann schaute er über die Schulter.
    Claude Jobert sah durch das Rückfenster der Kabine des Schneemobils zu ihm hinaus. »Harry! He, Harry!« Er konnte sich über den Wind und den Lärm des Motors kaum verständlich machen. »Lichter! Vor uns! Sieh doch!«
    Zuerst begriff er nicht, was Claude meinte. Er war starr, durchgefroren und noch halb in

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