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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Harry.
    Niemand war anderer Meinung.
    »Na schön, dann werden wir alle gemeinsam versuchen, die Bomben zu bergen«, sagte Harry und schob die getönte Brille über seinen Augen zurecht. »Rita, bleibst du hier und achtest auf das Funkgerät und hältst Gunvald auf dem laufenden?«
    »Klar.«
    »Jemand sollte den Rest des Lagers durchsuchen«, sagte Claude, »bevor der Schnee die Trümmer endgültig bedeckt.«
    »Darum kümmere ich mich ebenfalls«, sagte Rita.
    Harry ging zur Öffnung der Höhle. »Dann mal los. Ich kann diese sechzig Uhren ticken hören und will nicht unbedingt in der Nähe sein, wenn der Wecker klingelt.«

DRITTER TEIL - DAS GEFÄNGNIS

14:30 - DETONATION IN NEUN STUNDEN DREIßIG MINUTEN
     
    Nikita Gorow hatte sich kaum eine oder zwei Minuten lang hingelegt, als er auch schon wußte, daß er keine Ruhe finden würde. Aus der Vergangenheit materialisierte sich ein kleiner Geist, der jetzt dafür sorgte, daß ihm der Friede des Schlafs versagt blieb. Als er die Augen schloß, sah er den kleinen Nikolai, seinen Nikki, wie er durch einen hellen, gelben Nebel auf ihn zulief. Das Kind hatte die Arme gespreizt und kicherte. Doch die Entfernung zwischen ihnen wurde nicht geringer, ganz gleich, wie lange oder schnell Nikki lief oder wie verzweifelt Gorow nach ihm griff: Sie waren nur drei oder vier Meter voneinander getrennt, doch jeder Zentimeter war eine Unendlichkeit. Der Kapitän wollte nichts dringlicher, als seinen Sohn berühren, doch der unzerreißbare Schleier zwischen Leben und Tod trennte sie.
     
    Mit einem leisen, unfreiwilligen Seufzer der Verzweiflung öffnete Gorow die Augen und schaute zu dem Foto im silbernen Rahmen auf dem Schreibtisch in der Ecke: Nikolai und er selbst vor einem Akkordeonspieler auf einem Kreuzfahrtschiff auf der Moskwa. Wenn die Vergangenheit mitunter besonders schwer auf ihm lastete, bedrückte das Foto Gorow gewaltig. Er konnte es genausowenig in eine Schublade legen oder wegwerfen, wie er sich die rechte Hand abhacken konnte, lediglich, weil Nikolai sie oft gehalten hatte.
    Plötzlich von nervöser Energie erfüllt, stieg er aus seiner Koje. Er wollte auf und ab schreiten, aber seine Kabine war zu klein. Mit drei Schritten hatte er die gesamte Länge des schmalen Ganges zwischen dem Bett und dem Schrank zurückgelegt. Er wäre gern im Hauptniedergang auf und ab geschritten, durfte jedoch nicht zulassen, daß die Mannschaft mitbekam, wie aufgewühlt er war. Schließlich setzte er sich an den Schreibtisch. Er nahm das Foto in beide Hände, als könne er den Schmerz in seinem Herzen lindern und sich beruhigen, indem er sich ihm stellte — und dem quälenden Verlust.
    Er sprach leise zu dem blonden Jungen auf dem Bild. »Ich bin nicht für deinen Tod verantwortlich, Nikki.«
    Gorow wußte, daß dies der Wahrheit entsprach. Er glaubte es auch, was noch wichtiger war, als es einfach nur zu wissen. Doch Meere der Schuld durchspülten ihn mit endlosen, alles zerfressenden Fluten.
    »Ich weiß, daß du mir nie Vorwürfe gemacht hast, Nikki. Aber ich wünschte, ich könnte hören, daß du mir das sagst.«
     
    Vor sieben Monaten, Mitte Juni des vergangenen Jahres, hatte die Ilja Pogodin bereits seit sechzig Tagen eine höchst geheime, insgesamt neunzig Tage währende elektronische Überwachungsmission auf der Mittelmeer-Route durchgeführt. Das Schiff hatte neun Meilen vor der ägyptischen Küste getaucht, direkt nördlich von Alexandria. Der Multikommunikationsballon war ausgestoßen worden, und jede Minute flossen Tausende Bytes Daten, wichtige und unwichtige, in die Computerspeicher.
    Um zwei Uhr am Morgen des fünfzehnten Juni hatte das Büro des Marinegeheimdienstes in Sewastopol eine Nachricht vom Marineministerium in Moskau weitergeleitet. Sie erforderte von der Ilja Pogodin eine Bestätigung, wodurch die Funkstille aufgehoben wurde, die bei einer solchen geheimen Mission eine absolute Notwendigkeit war.
    Als der Kodespezialist den verschlüsselten Text dechiffriert hatte, wurde Gorow vom diensthabenden Kommunikationsoffizier geweckt. Er setzte sich in seiner Koje auf und las das blaßgelbe Blatt.
    Die Mitteilung begann mit Längen- und Breitenkoordinaten, gefolgt von dem Befehl, sich in vierundzwanzig Stunden mit der Petr Wawilow zu treffen, einem Forschungsschiff der Wostok-Klasse, das sich zur Zeit im selben Teil des Mittelmeers befand wie die Pogodin. Diese Anweisung erregte sofort Gorows Neugier: Ein mitternächtliches Rendezvous auf hoher See schien eher ein

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