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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Lider flatterten nicht mal. Nachdem er mindestens eine Viertelstunde lang reglos auf dem Boden gelegen hatte, mußte er bereits an Unterkühlung leiden, obwohl er die gesamte Zeit über nicht dem Wind ausgesetzt gewesen war und volle Überlebenskleidung trug. Harry schob die Schneemaske wieder hoch, um das bleiche Gesicht zu bedecken.
    Er überlegte noch, wie er Brian am besten von hier fortschaffte, als er sah, daß sich jemand durch das starke Schneegestöber näherte. Ein Lichtpfeil erschien in der Dunkelheit, zuerst unklar, doch als er näher kam, wurde er schärfer und heller.
    Roger Breskin trat durch einen dichten Vorhang aus Schnee und hielt die Taschenlampe ausgestreckt wie ein Blinder einen Krückstock. Anscheinend hatte er die Orientierung verloren und das ihm zugewiesene Suchgebiet verlassen. Als er Brian sah, zögerte er.
    Harry winkte ungeduldig.
    Breskin zog seine Schneemaske hinab und lief zu ihnen. »Lebt er noch?«
    »So gerade eben.«
    »Was ist passiert?«
    »Keine Ahnung. Schaffen wir ihn in die Kabine eines der Schneemobile. Vielleicht hilft ihm die warme Luft. Du nimmst seine Füße, und ich ...«
    »Ich kann ihn allein tragen.«
    »Aber...«
    »Auf diese Weise geht es einfacher und schneller.«
    Harry nahm die Taschenlampe, die Roger ihm gab.
    Der großgewachsene Mann bückte sich und hob Brian auf, als wiege der Junge nicht mehr als zehn Pfund.
    Harry ging durch die Verwehungen und Eishügel voran zu den Schneemobilen.
     
    Um 16 Uhr 50 meldeten sich die Amerikaner aus Thule mit weiteren schlechten Nachrichten bei Gunvald Larsson. Wie vorher die Melville war jetzt auch der Trawler Liberty zum Schluß gekommen, daß der Sturm eine unwiderstehliche Macht war, gegen die nur große Kriegsschiffe und Narren ankämpfen konnten oder würden. Das Schiff konnte einfach nicht geradewegs in die gewaltigen, starken Wellen hineinfahren, die über fast den gesamten Nordatlantik und die nicht zugefrorenen Teile der Grönlandsee wogten. Er hatte vor fünf Minuten umgedreht, als ein Matrose kleinere Stauchungen an den Bugplatten auf der Steuerbordseite entdeckt hatte. Der amerikanische Funker versicherte Gunvald wiederholt, alle in Thule stationierten Leute würden für die armen Kerle auf dem Eisberg beten. Zweifellos wurden mittlerweile auf der ganzen Welt Gebete für sie gesprochen.
    Aber noch so viele Gebete bewirkten nicht, daß Gunvald sich besser fühlte. Die kalte, harte Tatsache war und blieb, daß der Kapitän der Liberty — wenn auch bestimmt aus Notwendigkeit und nur mit großem Widerwillen — eine Entscheidung getroffen hatte, die acht Menschen praktisch zum Tode verurteilte.
    Gunvald brachte es nicht über sich, Rita die Nachricht mitzuteilen. Nicht sofort, nicht in diesem Augenblick. Vielleicht zur vollen Stunde — oder um Viertel nach. Er brauchte diese Zeit, um sich zusammenzureißen. Die Leute dort draußen waren seine Freunde, und ihm lag an ihnen. Ausgerechnet er sollte ihnen die Todesnachricht überbringen. Er zitterte. Er mußte ausführlich darüber nachdenken, wie er es ihnen beibringen konnte.
    Er brauchte etwas zu trinken. Obwohl er Spannungen normalerweise nie mit Schnaps linderte, schenkte er sich ein Glas Wodka aus dem Vorrat von drei Flaschen in der Speisekammer des Kommunikationsschuppens ein. Als er den Wodka getrunken hatte, konnte er Rita noch immer nicht anrufen. Er goß sich noch einen Schluck ein, zögerte und machte dann einen Doppelten daraus, bevor er die Flasche wieder wegstellte.
     
    Obwohl die Schneemobile an Ort und Stelle standen, brummten die fünf kleinen Motoren unablässig vor sich hin. Auf der Eisdecke durfte man während eines schweren Sturms die Fahrzeuge nicht ausschalten, denn die Batterien hätten sich entleert, und die Schmiermittel in den Motoren wären innerhalb von zwei oder drei Minuten gefroren. Der unbarmherzige Wind wurde kälter, als der Tag sich seinem Ende zuneigte. Er konnte Menschen wie auch Maschinen mit Leichtigkeit töten.
    Harry verließ die Eishöhle und eilte zum nächsten Schneemobil. Als er in der warmen Kabine saß, schraubte er den Deckel der Thermosflasche ab, die er mitgebracht hatte. Er trank mehrere schnelle Schlucke der dicken, wohlriechenden Gemüsesuppe. Sie war aus einem Tiefkühlkonzentrat zubereitet und auf der Heizplatte zum Kochen gebracht worden, mit der sie zuvor an den offenen Bohrlöchern den Schnee geschmolzen hatten. Zum erstenmal an diesem Tag konnte er sich etwas entspannen, wenngleich er auch wußte, daß es

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