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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sich nur um einen vorübergehenden Seelenfrieden handelte.
    In den drei Schneemobilen links von ihm verzehrten George Lin, Claude und Roger ihre Mahlzeiten in ähnlicher Zurückhaltung. Er konnte sie kaum sehen: dunkle Gestalten in den nicht erhellten Kabinen.
    Jeder hatte drei Tassen Suppe bekommen. Bei diesen Rationen hatten sie nur noch Vorräte für zwei weitere Mahlzeiten. Harry hatte sich aber dagegen entschieden, die verbleibenden Lebensmittel zu rationieren, denn wenn sie nicht ordentlich zu essen bekamen, würde die Kälte sie nur um so schneller töten.
    Franz Fischer und Pete Johnson waren in der Eishöhle. Harry konnte sie deutlich ausmachen, denn die Scheinwerfer seines Fahrzeugs leuchteten in den Eingang und boten dort die einzige Helligkeit. Die beiden Männer schritten auf und ab und warteten darauf, daß sie sich mit ihren Thermoskannen voller heißer Suppe in die warmen Kabinen zurückziehen konnten. Franz bewegte sich schnell, aufgeregt, fast, als marschiere er hin und her. Pete hingegen schlenderte mit schlaksigen, flüssigen Bewegungen von einem Ende der Höhle zum anderen.
    Rita klopfte und öffnete die Kabinentür. Das Geräusch ließ Harry zusammenfahren.
    »Was ist los?« fragte er, nachdem er einen Mundvoll Suppe heruntergeschluckt hatte.
    Sie beugte sich hinein und blockierte mit ihrem Körper den Wind und sein klagendes Heulen. »Er will mit dir sprechen.«
    »Brian?«
    »Ja.«
    »Es geht ihm wieder besser?«
    »O ja. Er erholt sich gut.«
    »Erinnert er sich daran, was passiert ist?«
    »Laß es dir von ihm selbst erzählen«, sagte sie.
    Brian lag im fünften Schneemobil, demjenigen, das am weitesten von der Höhle entfernt stand. Rita war die letzten zwanzig Minuten bei ihm in der Kabine gewesen, hatte seine kalten Finger massiert, ihm Suppe eingeflößt und dafür gesorgt, daß er nicht in einen gefährlichen Schlaf fiel. Während der Rückfahrt vom dritten Bohrloch war er zu sich gekommen, hatte aber zu starke Schmerzen gehabt, um sprechen zu können. Als er zuerst erwacht war, war er buchstäblich von den Qualen geschüttelt worden, mit denen seine betäubten Nervenenden verspätet auf die ernste Kälte reagiert hatten, die ihn fast umgebracht hatte. Der Junge würde sich frühestens nach einer weiteren Stunde wieder halbwegs normal fühlen.
    Harry schraubte die Thermosflasche zu. Bevor er die Brille an Ort und Stelle schob, küßte er Rita.
    »Hmm«, machte sie. »Mehr.«
    Diesmal bewegte ihre Zunge sich zwischen seine Lippen. Schneeflocken wurden an ihrem Kopf vorbeigeweht und tanzten um sein Gesicht, doch ihr Atem war heiß auf seiner eingecremten Haut. In sein Verlangen nach ihr mischte sich tiefe Sorge um sie. Er wollte sie vor allem Schaden bewahren.
    »Ich liebe dich«, sagte sie, als sie sich voneinander lösten.
    »Wir werden nach Paris fahren. Irgendwie. Sobald wir hier raus sind.«
    »Tja, falls wir nicht hier rauskommen sollten«, sagte sie, »haben wir jedenfalls nichts verpaßt. Wir haben acht gute gemeinsame Jahre gehabt. Wir haben mehr Spaß und Liebe miteinander geteilt, als die meisten Menschen während ihres gesamten Lebens haben.«
    Er kam sich machtlos vor, als müsse er Unmögliches bewirken. Sein ganzes Leben lang hatte er bei Krisen stets die Verantwortung übernommen. Selbst bei den schwierigsten Problemen hatte er immer Lösungen finden können. Dieses neue Gefühl der Ohnmacht erzürnte ihn.
    Sie küßte ihn leicht auf einen Mundwinkel. »Beeil dich. Brian wartet auf dich.«
    Die Kabine des Schneemobils war unangenehm eng. Harry saß rückwärts auf der schmalen Beifahrerbank, das Gesicht dem Heck des Fahrzeugs zugewandt, wo Brian Dougherty mit dem Gesicht nach vorn lag. Die Lenkstange drückte Harry in den Rücken. Seine Knie berührten die Brians. Von den Scheinwerfern drang nur ein verschwommenes gelbes Leuchten durch das Plexiglas, und die Dunkelheit ließ den winzigen Raum noch kleiner wirken, als er es war.
    »Wie fühlst du dich?« fragte Harry.
    »Beschissen.«
    »Das wird noch 'ne Weile so bleiben.«
    »Meine Hände und Füße brennen. Und ich meine damit nicht, daß sie einfach nur taub sind. Es ist, als würde jemand jede Menge lange Nadeln in sie hineinschlagen.« Seine Stimme war schmerzverzerrt.
    »Erfrierungen?«
    »Die Füße haben wir uns noch nicht angesehen. Aber sie fühlen sich genauso an wie die Hände. Und da haben wir keine gefunden. Ich hab's wahrscheinlich also gerade noch so eben geschafft. Aber ...« Er keuchte vor Schmerz, und

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