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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Familie gäbe es jede Menge Helden.«
    »Na ja.«
    »Aber du bist nicht dieser Ansicht.«
    »Ich kenne sie besser.«
    »Sie haben Opfer gebracht, Brian. Dein Onkel wurde ermordet. Und auch dein Vater hat eine Kugel abbekommen.«
    »Es klingt vielleicht gemein, würde es aber nicht, wenn du sie kennen würdest. Rita, keiner von ihnen hat damit gerechnet, solche Opfer bringen zu müssen — oder überhaupt irgendein Opfer. Es ist kein heldenhafter Akt, angeschossen oder ermordet zu werden — genausowenig, wie es bei einem armen Mistkerl der Fall ist, der unerwartet niedergeschossen wird, während er an einem Geldautomaten eine Abhebung vornimmt. Er ist ein Opfer, kein Held.«
    »Einige Menschen gehen in die Politik, um eine bessere Welt zu schaffen.«
    »Keiner, den ich kenne. Es ist ein schmutziges Geschäft, Rita. Es geht nur um Neid und Macht. Aber hier draußen ist alles so sauber. Die Arbeit ist schwer, die Umgebung ist feindlich — aber sauber.«
     
    Sie hatte keine Sekunde lang den Blick von seinen Augen abgewandt. Er konnte sich nicht erinnern, je so direkt von jemandem angesehen worden zu sein wie nun von ihr. »Also bist du nicht nur ein armer reicher Junge, der es auf Nervenkitzel abgesehen hat, wie die Medien es gern gehabt hätten«, sagte sie, nachdem sie eine Weile nachdenklich geschwiegen hatte.
     
    Er unterbrach den Blickkontakt zuerst, nahm den Fuß von der Bank und drehte sich in der engen Kabine, um die Arme in die Jackenärmel schieben zu können. »Hast du mich dafür gehalten?«
    »Nein. Ich lasse nicht zu, daß die Medien für mich denken.«
    »Es besteht natürlich die Möglichkeit, daß ich mir selbst etwas vormache. Vielleicht bin ich genau das, was sie in den Zeitungen immer behaupten.«
    »In den Zeitungen steht reichlich wenig Wahres«, sagte sie. »Eigentlich wirst du die Wahrheit nur an einer Stelle finden.«
    »Und wo?«
    »Du weißt schon.«
    Er nickte. »In mir selbst.«
    Sie lächelte. »Du wirst schon in Ordnung kommen«, sagte sie, als sie ihre Jacke anzog.
    »Wann?«
    »Ach, in zwanzig Jahren vielleicht.«
    Er lachte. »Großer Gott, und so lange werde ich noch Mist bauen?«
    »Vielleicht sogar noch länger. He, genau darum geht es im Leben: Stück um Stück, Tag um Tag, lernen wir mit entsetzlicher Langsamkeit, wie man weniger Mist baut.«
    »Du solltest Psychologin werden.«
    »Medizinmänner sind wirkungsvoller.«
    »Manchmal habe ich gedacht, ich brauchte einen.«
    »Einen Psychologen? Spar dir dein Geld lieber. Mein Junge, du brauchst lediglich Zeit.«
    Als er Rita aus dem Schneemobil folgte, überraschte ihn die bittere Kraft des Sturms. Er nahm ihm den Atem und hätte ihn fast in die Knie gezwungen. Brian hielt sich an der offenen Kabinentür fest, bis er sicher war, daß er das Gleichgewicht nicht verlieren würde.
    Der Wind erinnerte ihn daran, daß der unbekannte Angreifer, der Mann, der ihn auf den Kopf geschlagen hatte, nicht die einzige Bedrohung für sein Überleben war. Ein paar Minuten lang hatte er vergessen, daß sie auf einem Eisberg trieben und die Zeitbomben Mitternacht entgegentickten. Die Furcht kroch zu ihm zurück wie die Schuld ins Herz eines Priesters. Nun, da er sich verpflichtet hatte, das Buch zu schreiben, wollte er unbedingt überleben.
     
    Die Scheinwerfer eines der Schneemobile leuchteten durch die Höhlenöffnung. An einigen Stellen verzerrte das gebrochene Eis die Strahlen zu Lichtprismen, die in allen Primärfarben funkelten, und diese geometrischen Formen schimmerten wie Juwelen auf den Wänden der ansonsten weißen Kammer. Die acht entstellten Schatten der Expeditionsmitglieder glitten und kräuselten sich über diesen betörenden Hintergrund, wurden größer und schrumpften zusammen, geheimnisvoll, aber vielleicht nicht geheimnisvoller als die Personen, die sie warfen — fünf von ihnen waren Verdächtige, und einer hatte versucht, einen Mord zu begehen. Harry beobachtete Roger Breskin, Franz Fischer, George Lin, Claude und Pete, wie sie über die Möglichkeiten stritten, die ihnen blieben, und wie sie die sechs Stunden und zwanzig Minuten bis Mitternacht verbringen sollten. Er hätte das Gespräch leiten oder wenigstens daran teilnehmen sollen, konnte sich jedoch nicht darauf konzentrieren, was die anderen sagten. Zum einen konnten sie, ganz gleich, was sie in der verbleibenden Zeit anstellten, weder von dem Eisberg fliehen noch die Bomben entschärfen, so daß ihre Diskussion sinnlos war. Zum anderen konnte er, obwohl er versuchte,

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