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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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grüngraue Tönung erhellte. Die unregelmäßige Abfolge von unruhigen Wellen warf zerklüftete, rasiermesserscharfe Schatten, die wie unzählbare Schwärme hektischer dunkler Vögel flatterten, die sich aus flachen Trögen an kleinen Fischen gütlich hielten.
    Der Eisberg war riesig: eine gewaltige Präsenz, mindestens dreißig Meter hoch. Er verschwand in der Dunkelheit rechts und links von ihm, ein riesiger Wall, der schrecklicher war als die Befestigungen einer jeden Trutzburg auf der Welt. Während ihrer vorsichtigen, von Radar und Sonar geleiteten Annäherung an diesen Ort hatten sie herausgefunden, daß der Berg eintausendzweihundertundachtzig Meter lang war. Er erhob sich schroff aus der grün-grau-schwarz gesprenkelten See und erinnerte verblüffenderweise an ein Totem, an einen von Menschen geschaffenen Monolithen mit einer geheimnisvollen religiösen Bedeutung. Er trieb glasglatt und leuchtend dahin und wurde weder von großen Vorsprüngen noch von anderen Identifikationsmerkmalen gekennzeichnet: vertikal, schroff, abstoßend.
    Gorow hatte gehofft, eine flache, zerklüftete Klippe zu finden, die relativ sanft zum Wasser abfiel. Die See war hier im Windschatten nicht besonders rauh, und ein paar Männer würden vielleicht auf das Eis hinüberkommen. Aber er sah keine Stelle, wo sie hätten landen können.
    Zur Ausstattung des U-Boots gehörten drei aufblasbare motorisierte Schlauchboote und eine große Auswahl an modernster und hochwertiger Bergsteigerausrüstung. In den letzten sieben Jahren hatte die Ilja Pogodin fünfzehn verschiedene hochgeheime Passagiere befördert — hauptsächlich Spezialagenten der Spetsnaz, eigens ausgebildete Saboteure, Attentäter und Spione der Armee — und des Nachts an schroffen Küsten sieben verschiedener westlicher Länder abgesetzt. Überdies konnte das Schiff im Kriegsfall zusätzlich zur vollen Besatzung eine neunköpfige Einsatzgruppe befördern und sie selbst bei schlechtem Wetter in weniger als fünf Minuten sicher an Land bringen.
    Aber sie mußten eine Stelle finden, wo die Boote anlegen konnten. Einen schmalen Vorsprung. Eine winzige Bucht. Eine Nische über der Wasseroberfläche. Irgendetwas.
    »Selbst wenn wir die Leute da drüben absetzen könnten«, sagte Schukow, als hätte er die Gedanken des Kapitäns gelesen, »wäre es eine sehr schwierige Kletterpartie.«
    »Wir könnten es schaffen.«
    »Es geht dreißig Meter so gerade und glatt wie Fensterglas hinauf.«
    »Wir könnten Löcher ins Eis schlagen«, sagte Gorow. »Die nötigen Eispickel, Äxte, Seile und Nägel haben wir. Und die Kletterstiefel und Karabinerhaken. Alles, was wir brauchen.«
    »Aber diese Leute sind Matrosen, Herr Kapitän, und keine Bergsteiger.«
    Die Leuchtrakete war jetzt hoch über der Ilja Pogodin und trieb immer noch in südliche Richtung ab. Das Licht war nicht mehr grell oder weiß; es hatte eine gelbliche Färbung angenommen und wurde schnell schwächer. Rauch erhob sich um das Lichtsignal und warf bizarre Schatten, die sich über die Vorderseite des Eisbergs schlängelten und wanden.
    »Die richtigen Leute könnten es schaffen«, beharrte Gorow.
    »Ja, Herr Kapitän«, sagte Schukow. »Das weiß ich. Sogar ich könnte es schaffen, wenn es sein müßte, und ich habe Höhenangst. Aber weder ich noch die Besatzung sind in dieser Hinsicht sehr erfahren. Wir haben keinen einzigen Mann an Bord, der den Aufstieg auch nur in der doppelten Zeit schaffen würde, die ein erfahrener Bergsteiger braucht. Wir würden ein paar Stunden brauchen, vielleicht drei oder vier, vielleicht sogar fünf, um dort hinaufzukommen und ein System auszuarbeiten, mit dem wir die Edgeway-Wissenschaftler in die Boote bringen könnten. Und bis wir...«
    »Bis wir eine Möglichkeit gefunden haben, die Leute auf das Eis zu bringen, bleibt ihnen höchstens noch eine Stunde«, sagte Gorow und führte damit den Gedankengang seines Ersten Offiziers zu Ende.
    Mitternacht kam schnell näher.
    Die Leuchtrakete erlosch.
    Semichastny richtete den Scheinwerfer noch immer auf den Eisberg, bewegte ihn langsam von links nach rechts, konzentrierte sich auf die Wasseroberfläche, suchte hoffnungsvoll nach einem Vorsprung, einem Riß, einer Lücke, nach irgend etwas, das sie vielleicht übersehen hatten.
    »Sehen wir uns die dem Wind zugewandte Seite an«, sagte Gorow. »Vielleicht hat sie ja etwas Besseres zu bieten.«
     
    In der Höhle warteten sie auf weitere Nachrichten von Gunvald. Die Aussicht auf Rettung begeisterte sie

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