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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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diskret vorzugehen, sich einfach nicht davon abhalten, sie genau zu betrachten, als würde die Art und Weise, wie sie sprachen, gingen, gestikulierten, psychotische Tendenzen enthüllen.
    Sein Gedankengang wurde von einem Funkspruch von der Station Edgeway unterbrochen. Gunvald Larssons Stimme hallte, von Rauschen verzerrt, von den Eiswänden wider.
    Die anderen Männer verstummten.
    Nachdem Harry zum Funkgerät gegangen war und den Empfang bestätigt hatte, fuhr Gunvald fort: »Harry, die Trawler haben umgedreht. Die Melville und die Liberty. Schon vor einiger Zeit. Ich weiß, ich hätte es euch sagen sollen, aber ich brachte es nicht über mich.« Er klang unerklärlich heiter, aufgeregt, als müßte diese schlechte Nachricht ein Lächeln auf ihre Gesichter bringen. »Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Es spielt keine Rolle, Harry!«
    Pete, Claude und die anderen hatten sich, verblüfft von der Aufregung des Schweden, um das Funkgerät gedrängt.
    »Gunvald, wovon sprichst du, verdammt noch mal?« fragte Harry. »Was meinst du damit, daß es keine Rolle mehr spielt?«
    Rauschen zerfetzte die Funkwellen, doch dann wurde die Frequenz auf einmal völlig klar. »... gerade Nachricht von Thule bekommen«, sagte Larsson. »Eine Meldung aus Washington. In eurer Nähe ist ein U-Boot, Harry. Hast du mich verstanden? Ein russisches U-Boot.«

VIERTER TEIL -  NACHT

20:20 -  DETONATION IN DREI STUNDEN VIERZIG MINUTEN
     
    Gorow, Schukow und Matrose Semichastny kletterten auf die Brücke und schauten nach Backbord. Die See war weder ruhig noch so aufgewühlt wie vor kurzem, als sie aufgetaucht waren, um die Nachricht des Marineministeriums zu empfangen. Der Eisberg lag auf der Backbordseite vor ihnen und schirmte sie ein wenig vor der Kraft der Sturmwellen und des Windes ab.
    Sie konnten den Berg nicht sehen, obwohl die Radar- und Sonarbilder angezeigt hatten, daß er sowohl über- als auch unterhalb der Wasseroberfläche beträchtliche Ausmaße hatte. Sie waren nur vierzig oder sechzig Meter vom Ziel entfernt, doch die Dunkelheit war undurchdringlich. Allein der Instinkt verriet Gorow, daß sich vor ihnen etwas Gewaltiges erhob, und das Wissen, im Schatten eines unsichtbaren Kolosses zu liegen, war eins der unheimlichsten und bedrohlichsten Gefühle, das er je empfunden hatte.
    Sie waren warm angezogen und trugen Brillen. Da sie jedoch auf der windgeschützten Seite des Eisbergs lagen, hatten sie das Schiff ohne Schneemasken verlassen können, und auch die Unterhaltung war nicht so schwierig wie vor ein paar Stunden, als sie auf der Oberfläche gefahren waren.
    »Da draußen ist es wie in einem fensterlosen Kerker«, sagte Schukow.
    Keine Sterne. Kein Mond. Kein Lichtschimmer auf den Wellen. Gorow hatte noch nie eine so völlig lichtlose Nacht gesehen.
    Über und hinter ihnen auf der Finne erhellte die Hundert-Watt-Birne die Stahlhülle und ermöglichte es den drei Männern, einander zu sehen. Unruhige, mit kleinen Eisklumpen durchsetzte Wellen brachen gegen die gebogene Hülle und reflektierten gerade so viel von dem roten Licht, daß es den Anschein hatte, die Pogodin führe nicht auf Wasser, sondern auf einem Meer aus weinrotem Blut. Hinter dem winzigen erhellten Kreis lag eine ununterbrochene Dunkelheit, die so makellos und tief war, daß Gorows Augen zu schmerzen begannen, wenn er sie zu lange anschaute.
    Der größte Teil des Brückengeländers war von Eis überzogen. Gorow ergriff es, um sich festzuhalten, als das Schiff einen Satz machte, berührte jedoch zufällig einen Teil aus nacktem Metall, und der Handschuh klebte an dem Metall fest. Er riß ihn los und untersuchte die Handfläche: Die äußere Lederschicht war abgerissen, und das Futter lag frei. Hätte er Handschuhe aus Seehundfell getragen, wäre er nicht festgeklebt. Er hätte rechtzeitig daran denken sollen, diesen besonderen Bestandteil der arktischen Schutzkleidung aus dem Spind zu holen. Hätte er gar keine Handschuhe getragen, wäre seine Hand augenblicklich mit dem Geländer verschweißt worden, und er hätte einen beträchtlichen Brocken Haut und Fleisch verloren.
    Matrose Semichastny schaute den zerfetzten Handschuh des Kapitäns erstaunt an. »Unglaublich!« rief er.
    »Was für ein elender Ort«, sagte Schukow.
    Der Schnee, der über die Brücke geweht wurde, fiel nicht in Form von Flocken. Die Temperatur unter dem Gefrierpunkt und der scharfe Wind hatten sich verschworen, um harte Körner aus Schnee zu erzeugen — ›Kies‹, wie die

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