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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Meteorologen dazu sagen, Millionen von Körnchen wie aus weißem Schrot, das zweitschlimmste nach einem Sturm aus Eisnadeln.
    Der Erste Offizier klopfte auf das Anenometer auf der Brücke. »Wir haben sogar hinter dem Eisberg eine Windgeschwindigkeit von fünfundvierzig Stundenkilometern«, sagte er. »Auf der Spitze des Eisbergs oder auf offener See muß sie doppelt bis dreimal so hoch sein.«
    Gorow schätzte, daß die subjektive Temperatur auf dem Eisberg — wenn man den Windfaktor einbezog — mindestens minus fünfzig oder sechzig Grad betragen mußte. Die Wissenschaftler der Station Edgeway unter diesen Umständen zu retten war eine größere Herausforderung als jede andere, vor der er während seiner gesamten Laufbahn in der Marine je gestanden hatte. Es würde schwierig werden. Vielleicht würden sie es auch gar nicht schaffen. Und langsam machte er sich Sorgen, daß er schon wieder zu spät gekommen war.
    »Machen wir Licht«, befahl Gorow.
    Semichastny drehte augenblicklich den Scheinwerfer nach Backbord und schaltete ihn ein. Der sechzig Zentimeter durchmessende Strahl durchdrang die Dunkelheit, als hätte man in einem unbeleuchteten Keller die Klappe eines Heizkessels aufgerissen. Am Kardankreuz abgekantet, erhellte der große Scheinwerfer einen kreisrunden Ausschnitt des Ozeans, der nur zehn Meter von dem U-Boot entfernt war: aufgewühlte Wellen, die von eisiger Gischt durchzogen wurden, einen brodelnden Mahlstrom, der allerdings nicht allzu schwierig zu befahren war. Gischtwolken schossen in die bitterkalte Luft hoch, als die Wellen gegen das Boot schlugen, gefroren augenblicklich zu komplizierten und funkelnden Eisborten, schienen schier endlos lange in der Luft zu schweben und fielen dann ins Wasser zurück. Ihre seltsame Schönheit war so vergänglich wie der Augenblick eines perfekten Sonnenuntergangs.
    Die Meerestemperatur lag ein paar Grad über dem Gefrierpunkt, aber das Wasser hatte so viel Wärme gespeichert — und war natürlich auch so salzig —, daß es lediglich Eis enthielt, das von der polaren Hülle fünfundzwanzig Kilometer nördlich von ihnen abgebrochen war. Hauptsächlich kleine Brocken, keiner größer als ein Auto, die auf den Wellen trieben und gegeneinander prallten.
    Semichastny packte die beiden Griffe des Scheinwerfers, schwang ihn hoch und richtete ihn direkt nach Backbord. Der grelle Strahl durchdrang die polare Schwärze und den wütenden Schnee — und fiel auf eine turmhohe Palisade aus Eis, die so gewaltig und so nah war, daß alle Männer unwillkürlich nach Luft schnappten.
    Fünfzig Meter von ihnen entfernt trieb der Eisberg langsam in einer milden Winterströmung nach Südosten. Selbst bei dem starken Wind hinter ihm machte die gewaltige Insel aus Eis nicht mehr als zwei oder drei Knoten. Der größte Teil des Berges lag unter Wasser, und er wurde nicht vom Sturm an der Oberfläche, sondern von tieferen Einflüssen angetrieben.
    Semichastny ließ den Scheinwerfer langsam nach rechts und dann wieder zurück nach links gleiten.
    Die Klippe war so lang und so hoch, daß Gorow die gesamte Größe des Eisbergs nicht mal schätzen konnte. Jeder strahlend helle Kreis aus Eis ließ sich von ihrem Sitz in der ersten Reihe zwar in allen Einzelheiten betrachten, schien jedoch völlig losgelöst von dem zu sein, den sie davor bestaunt hatten. Hätte er sich das Gesamtbild des Kolosses vorstellen wollen, hätte er genausogut versuchen können, sich das fertige Bild vorzustellen, das ein Puzzle zeigte, indem er fünfhundert einzelne, nicht miteinander verbundene Stücke betrachtete.
    »Leutnant Schukow, schießen Sie ein Leuchtsignal ab.«
    »Jawohl, Herr Kapitän.«
    Schukow trug die Signalpistole. Er hob sie hoch — eine stumpfe Waffe mit einem dicken, extrabreiten Lauf von fünf Zentimetern Durchmesser —, streckte den Arm aus und schoß in die Dunkelheit auf der Backbordseite.
    Die Rakete stieg schnell durch das Schneegestöber hoch. Sie blieb einen Augenblick lang sichtbar, während sie rote Funken und Rauch hinter sich herzog, verschwand dann jedoch im Sturm, als wäre sie durch einen Schleier in eine andere Dimension geglitten.
    Dreihundert Fuß ... vierhundert... fünfhundert ...
    Hoch über ihnen zerplatzte die Rakete zu einem strahlenden, weißglühenden Mond. Sie verlor nicht sofort an Höhe, sondern wurde vom Wind nach Süden getrieben.
    Unter dem hellen Schein wurde das Meer auf dreihundert Meter in jede Richtung von einem kalten Licht erhellt, das seine

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