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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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zwar, aber der Gedanke, daß das U-Boot vielleicht nicht mehr rechtzeitig eintreffen würde, um sie vor Mitternacht von dem Eisberg zu holen, ernüchterte sie wieder. Sie versanken in tiefes Schweigen, um dann kurz darauf wieder alle gleichzeitig zu sprechen.
    Nachdem Harry gewartete hatte, bis die aufgeregten Unterhaltungen seine Kollegen abgelenkt hatten, entschuldigte er sich mit der Bemerkung, er müsse zur Latrine. Als er an Pete Johnson vorbeiging, flüsterte er: »Ich will mit dir allein sprechen.«
    Pete blinzelte überrascht.
    Harry verlangsamte seine Schritte während des Sprechens nicht und sah den Ingenieur kaum an. Er schob die Brille hinunter, zog die Schneemaske hoch und verließ die Höhle. Draußen schaltete er die Taschenlampe ein und trottete an den Schneemobilen vorbei durch den heftigen Wind.
    Er bezweifelte, daß in den Tanks noch viel Treibstoff war. Die Motoren würden bald ausgehen. Kein Licht mehr. Keine Wärme mehr.
    Hinter den Schneemobilen lag das Gebiet, das sie als Toilette des provisorischen Lagers benutzt hatten, auf der anderen Seite einer U-förmigen, drei Meter hohen Wand aus aufgeschichtetem Eis und hochgewehtem Schnee, etwa zwanzig Meter hinter den aufblasbaren Iglus, die nun in Trümmern lagen. Harry verspürte kein Bedürfnis, sich zu erleichtern, doch der Ruf der Natur bot die bequemste und unverdächtigste Entschuldigung, die Höhle zu verlassen und sich von den anderen abzusondern. Er erreichte die Öffnung in der halbmondförmigen Wand, die den Windschutz bildete, schlurfte durch Schneeverwehungen zum Ende dieser verhältnismäßig ruhigen Nische und postierte sich mit dem Rücken zur Eiswand.
    Wahrscheinlich machte er mit Pete Johnson einen gewaltigen Fehler. Wie er schon Brian erklärt hatte, konnte man nie völlig sicher sein, was im Kopf eines anderen Menschen vor sich ging. Selbst ein Freund oder eine Geliebte, die man gut kannte und der man vertraute, konnte einen geheimen dunklen Drang oder ein verabscheuungswürdiges Begehren hegen. Jeder Mensch war von einem Rätsel umhüllt. Bei seiner lebenslangen Suche nach Abenteuern hatte Harry sich zufällig für einen Beruf entschieden, bei dem er täglich mit weniger Menschen in Kontakt kam, als es bei den meisten anderen Tätigkeiten der Fall gewesen war, und jedesmal, wenn er eine neue Herausforderung annahm, war der Gegenspieler nie eine andere Person, sondern stets Mutter Natur selbst. Die Natur konnte hart sein, aber niemals verräterisch; sie war mächtig und gnadenlos, aber nie bewußt grausam. Bei einem Wettstreit mit ihr mußte er nie befürchten, wegen Betrug oder Verrat zu verlieren. Trotzdem hatte er sich entschlossen, das Risiko einzugehen, Pete Johnson allein gegenüberzustehen.
    Er wünschte, er hätte eine Waffe.
    Wenn er den Anschlag auf Brian in Betracht zog, kam es Harry nun unentschuldbar dumm vor, die Eishülle ohne eine großkalibrige Pistole betreten zu haben, die er stets unter dem Parka bei sich trug. Natürlich hatte er bei all seinen geologischen Forschungen noch nie jemanden erschießen müssen.
    Nach einer Minute traf Pete ein und ging zu ihm zur Rückwand des U-förmigen, dachlosen Zufluchtsorts.
    Sie standen sich gegenüber, die Schneemasken heruntergezogen, die Brillen hochgeschoben, die Taschenlampen auf ihre Stiefel gerichtet. Das Licht wurde zu ihnen hochgeworfen, und Petes Gesicht leuchtete, als strahle es von innen heraus. Harry wußte, daß er so ähnlich aussehen mußte: am hellsten um das Kinn und den Mund, dunkler um die Stirn, mit Augen, die aus dunklen Löchern in seinem Schädel zu funkeln schienen — so unheimlich wie eine Halloween-Maske.
    »Wollen wir uns hier über jemanden das Maul zerreißen?« fragte Pete. »Oder hast du plötzlich deine große Liebe zu mir entdeckt?«
    »Das ist verdammt ernst, Pete.«
    »Da hast du recht. Wenn Rita es herausfindet, wird sie mich grün und blau schlagen.«
    »Kommen wir direkt zur Sache. Ich will wissen ... warum wolltest du Brian Dougherty umbringen?«
    »Mir gefällt sein Scheitel nicht.«
    »Pete, das ist kein Scherz.«
    »Na schön, weil er mich Nigger genannt hat.«
    Harry sah ihn an, sagte aber nichts.
    Über ihren Köpfen, an der höchsten Stelle des abschirmenden Walls, pfiff der Sturm durch die natürlichen Auskerbungen auf den zusammengeschobenen Eisplatten.
    Das Grinsen auf Petes Gesicht erstarrte allmählich. »Mann, du meinst es wirklich ernst.«
    »Hör mit dem Scheiß auf, Pete.«
    »Harry, um Gottes willen, was geht hier

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