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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Siebtel der Masse eines Eisbergs befand sich über der Oberfläche. Um ganz sicher zu gehen, hätte Gorow es vorgezogen, auf siebenhundert Fuß Tiefe zu gehen, aber die Geschwindigkeit des sich nähernden Ziels reduzierte bereits ihre Aussichten, rechtzeitig auch nur sechshundert Fuß zu erreichen.
    Der Sonaroffizier meldete die Entfernung: »Dreihundertundachtzig Meter, kommt schnell näher.«
    »Wäre ich kein Atheist«, sagte Schukow, »würde ich jetzt anfangen zu beten.«
    Niemand lachte. In diesem Augenblick war keiner von ihnen Atheist — nicht einmal Emil Schukow, obwohl er gerade das Gegenteil behauptet hatte. Obwohl alle ruhig und zuversichtlich wirkten, konnte Gorow die Angst im Kontrollraum riechen. Das war weder eine Übertreibung noch eine theatralische Einbildung. Furcht hatte einen ganz eigenen stechenden Geruch: die Ausdünstung ungewöhnlich scharfen Schweißes. Kalten Schweißes. Alle in der Zentrale schwitzten. Der Raum roch nach Furcht.
    »Dreihundertzwanzig Fuß«, meldete der Tauchoffizier.
    Sie gingen überaus schnell nach unten. Vielleicht zu schnell. Eine starke Beanspruchung der Hülle.
     
    Obwohl jeder die Geräte überwachte, für die er verantwortlich war, blieb den Leuten Zeit genug, wiederholt zum Tauchstand zu schauen, der plötzlich zum Mittelpunkt des Raums geworden zu sein schien. Die Nadel des Tiefenmessers senkte sich schnell, viel schneller, als sie es je zuvor gesehen hatten.
     
    Dreihundertachtzig Fuß.
    Vierhundert.
    Vierhundertundzwanzig.
    Alle Besatzungsmitglieder wußten, daß das Schiff für plötzliche und radikale Manöver konstruiert worden war, doch dieses Wissen nahm ihnen nicht die Anspannung. Als ihr Land sich in den letzten Jahren bemüht hatte, sich aus der Verarmung zu erheben, in die Jahrzehnte des Totalitarismus es gestürzt hatten, waren das Verteidigungsbudget — abgesehen von der Entwicklung atomarer Waffen — zusammengestrichen und die Systemwartung reduziert, verzögert und in einigen Fällen ganz aufgegeben worden. Die Pogodin war nicht in der besten Form ihres Lebens, ein alterndes U-Boot der Flotte, das vielleicht noch jahrelang treue Dienste leisten — oder jeden Augenblick einer Beanspruchung ausgesetzt werden würde, unter der es zusammenbrach.
    »Vierhundertundsechzig Fuß«, sagte der Tauchoffizier.
    »Ziel dreihundert Meter entfernt.«
    »Tiefe von vierhundertundachtzig Fuß.«
    Gorow packte mit beiden Händen fest das Geländer des Kommandostands und leistete dem Ziehen des geneigten Decks Widerstand, bis seine Arme schmerzten. Seine Knöchel traten so scharf und weiß wie bloße Knochen hervor.
    »Ziel auf zweihundert Metern!«
    »Er gewinnt an Geschwindigkeit«, sagte Schukow, »als würde er hügelabwärts preschen.«
    »Fünfhundertundzwanzig Fuß.«
    Sie sanken nun schneller, aber noch nicht so schnell, daß Gorow zufrieden gewesen wäre. Sie mußten mindestens um weitere einhundertundachtzig Fuß sinken, bis sie absolut sicher unter dem Eisberg waren — und vielleicht noch viel tiefer.
    »Fünfhundertundvierzig Fuß.«
    »In zehn Jahren bei der Marine bin ich nur zweimal so tief gewesen«, sagte Schukow.
    »Da haben Sie ja etwas, das Sie in Ihrem nächsten Brief nach Hause erwähnen können«, sagte Gorow.
    »Ziel auf einhundertundsechzig Meter. Kommt schnell näher!« rief der Sonaroffizier.
    »Fünfhundertundsechzig Fuß«, sagte der Tauchoffizier, obwohl er längst wissen mußte, daß alle den tellergroßen Tiefenmesser beobachteten.
    Da es sich bei der Ilja Pogodin um kein sehr tief fahrendes Atom-U-Boot handelte, war eintausend Fuß die offizielle maximale Tiefe, auf die das Schiff gehen konnte. Sollte die Außenhülle bei der gerade erfolgten Kollision jedoch beschädigt worden sein, handelte es sich dabei um einen bedeutungslosen Wert, und es gab keine Garantien mehr. Der Schaden am Bug würde das Schiff vielleicht auf einer viel geringeren Tiefe implodieren lassen, als in den offiziellen Handbüchern angegeben war.
    »Ziel auf einhundertundzwanzig Metern, kommt näher.«
    Gorow tat seinen Teil zu dem Gestank in dem kleinen Raum hinzu. Sein Hemd war auf der Mitte des Rückens und unter den Armen schweißnaß.
    Die Stimme des Tauchoffiziers war so leise geworden, daß es sich praktisch nur noch um ein Flüstern handelte, blieb jedoch klar und überall im Kontrollraum verständlich. »Sechshundert Fuß, sinken weiterhin.«
    Gorow hielt sich noch immer am Geländer fest. »Wir müssen auf jeden Fall weitere achtzig oder hundert

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