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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und entweder in östliche oder westliche Richtung zu fliehen; da der Eisberg sich ihnen von der Seite näherte, erstreckte er sich sowohl auf Steuerbord als auch auf Backbord fast sechshundertfünfzig Meter. Der neun Knoten schnellen Strömung, die in einer Tiefe von dreihundertundvierzig Fuß begann, würde es nicht gelingen, den Berg in ein paar Minuten so zu drehen, daß seine schmale Seite ihnen zugewandt war, und Gorow konnte der vollen Breite auf keinen Fall entkommen, bevor der Berg sie erreicht haben würde.
    Er riß die horizontale Stange des Periskops an sich und schob sie in ihre hydraulische Muffe.
    »Vierhundertzwanzig Meter, kommt schnell näher«, rief der Sonaroffizier.
    »Tauchen«, sagte Gorow, während ihn die ersten Schadensmeldungen erreichten. »Tauchen!«
    Die Tauchhupe hallte durch das Schiff. Gleichzeitig jaulte der Kollisionsalarm.
    »Wir gehen unter das Eis hinab, bevor es uns trifft«, sagte Gorow.
    Schukow erbleichte. »Der Eisberg muß eine Tiefe von sechs-hundertfünfzig Fuß unter der verdammten Wasseroberfläche haben.«
    »Ich weiß«, sagte Nikita Gorow mit rasendem Herzschlag und trockenem Mund. »Ich bin mir nicht sicher, daß wir es schaffen werden.«
     
    Der wütende Sturm hämmerte unaufhörlich gegen die Wellblechhütten. Die Nieten in den Metallwänden ächzten. Auf den zwei kleinen, mit je drei Scheiben versehenen Fenstern scharrten Eisnadeln wie die Fingerspitzen von zehntausend Toten, die herein wollten, und große Ströme von unter den Gefrierpunkt abgekühlter Luft strömten ächzend und klagend über die Nissenhütten hinweg. Im Vorratsschuppen hatte Gunvald nichts von Interesse entdeckt, obwohl er nun bereits Franz Fischers und George Lins Schränke durchsucht hatte. Sollte einer dieser Männer mörderische Neigungen haben oder auf irgendeine andere Art und Weise nicht ganz stabil oder normal sein, wies jedenfalls nichts von seinen persönlichen Habseligkeiten darauf hin. Gunvald nahm sich Pete Johnsons Schließfach vor.
     
    Gorow wußte, daß Russen bei Menschen anderer Nationen oft als verdrossene und entschieden schwermütige Leute galten. Natürlich war dieses Stereotyp trotz der bestürzenden historischen Neigung, sich mit brutalen Herrschern und fehlerhaften Ideologien abzugeben, genauso unwahr wie jedes andere. Russen lachten und feierten und bumsten und betranken sich und machten sich zu Narren wie die Menschen überall sonst auch. Die meisten Studenten im Westen hatten versucht, Tolstoi und Dostojewskij zu lesen, und sich aus diesen wenigen Werken der Literatur eine Meinung über die modernen Russen gebildet. Doch wäre in diesem Augenblick ein Ausländer im Kontrollraum der Ilja Pogodin gewesen, hätte er genau die Russen gesehen, die das Stereotyp beschrieb: stirnrunzelnde Männer mit ernsten Gesichtern und Brauen, die von einem grundlegenden Respekt vor dem Schicksal tief hinabgezogen wurden.
    Die Schadensmeldungen waren erfolgt: keine verbogenen Schotte, Wasser drang nicht in das Boot. Die Erschütterung war im vorderen Schiffsteil am schlimmsten gewesen und hatte besonders die Männer im Torpedoraum beunruhigt, zwei Decks unter der Zentrale. Obwohl die Sicherheitslampen keine unmittelbare Gefahr anzeigten, hatte das Schiff anscheinend Schaden an der äußeren Hülle genommen, unmittelbar achtern und Steuerbord vom Bug, direkt hinter den Tauchplatten, die selbst nicht beeinträchtigt worden zu sein schienen.
    Wenn die äußere Hülle nur angekratzt oder nur leicht eingedrückt worden war, würde das Boot es überstehen. Doch wenn die Hülle auch nur an einer Stelle und nur geringfügig zusammengeschoben worden war — oder sich schlimmstenfalls Verzerrungen an Schweißnähten zugezogen hatte —, würden sie den Tauchvorgang nicht überleben. Die beschädigten Teile würden dem Druck, der auf das U-Boot ausgeübt wurde, nicht gleichmäßig widerstehen, was zu schweren Materialüberanstrengungen führen würde, und die Pogodin würde dann implodieren und direkt auf den Meeresboden sinken.
    Die Stimme des jungen Tauchoffiziers war laut, zitterte aber trotz der Umstände kein bißchen. »Zweihundert Fuß, sinken weiter.«
    »Das Profil des Ziels wird schmaler«, meldete der Sonaroffizier. »Der Eisberg dreht sich weiterhin in der Strömung.«
    »Zweihundertundfünfzig Fuß«, sagte der Tauchoffizier.
    Sie mußten auf mindestens sechshundert Fuß Tiefe gehen. Schätzungsweise einhundert Fuß Eis waren über der Wasseroberfläche sichtbar gewesen, und nur ein

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