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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Schukow ernst, als der Offizier in dem Torpedoraum die Meldung über den Kopfhörer wiederholte.
    »Rohr Nummer eins bereit«, sagte der Wachhabende.
    Nikita Gorow wurde zum erstenmal klar, daß das Vorbereiten und Abschießen eines Torpedos eine rituelle Eigenschaft hatte, die einem Gottesdienst verblüffend ähnlich war. Vielleicht lag dies daran, daß sowohl Gottesverehrung als auch Krieg sich, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, mit dem Tod befaßten.
    Im vorletzten Augenblick der Litanei wurde es hinter ihm im Kontrollraum bis auf das leise Summen der Maschinen und das elektronische Murmeln der Computer völlig still.
    Nach einem in die Länge gezogenen und fast ehrfürchtigen Schweigen sagte Nikita Gorow: »Ziel erfassen ... und ... Feuer!«
    »Rohr eins Feuer!« sagte Schukow.
    Der junge Seemann warf einen Blick auf die Schalttafel, auf der das Lämpchen der Abschußkontrolle bestätigte, daß der Torpedo abgefeuert worden war. »Rohr eins leer.«
    Gorow schaute gespannt und erwartungsvoll durch das Okular des Periskops.
    Der Torpedo war darauf programmiert worden, sich eine Tiefe von fünfzehn Fuß zu suchen. Er würde den Eisberg genau so tief unter der Wasseroberfläche treffen. Mit etwas Glück würde diese Seite des Gebildes nach der Explosion bessere Möglichkeiten als jetzt bieten, um mit ein paar Schlauchbooten daran anzulegen und eine Plattform für die Leute zu schaffen, die die Klippe hinaufklettern sollten.
    Der Torpedo traf sein Ziel.
    »Treffer!« sagte Gorow.
    Der schwarze Ozean schwoll an und schoß am Fuß der Klippe hinauf, und einen Augenblick lang wurde das Wasser von einem grellen gelben Licht erhellt, als wären Seeschlangen mit strahlenden Augen an die Oberfläche gekommen.
    Echos der Erschütterung hallten durch die äußere Hülle des U-Boots. Gorow spürte, daß die Deckplatten erzitterten.
    Der untere Teil der weißen Klippe löste sich langsam auf. Ein hausgroßer Brocken der zerbrechlichen Palisade stürzte ins Wasser, und eine Lawine kleinerer Eisstücke folgte ihm.
    Gorow zuckte zusammen. Er wußte, daß der Sprengstoff nicht stark genug war, um dem Eisberg größere Schäden zuzufügen, geschweige denn, um ihn in Stücke zu reißen. Das Ziel war so riesig, daß der Torpedo kaum mehr als einen winzigen Fetzen davon herausreißen konnte. Aber ein paar Sekunden lang bestand eine Illusion von völliger Vernichtung.
    Der Maat im vorderen Torpedoraum meldete Schukow, daß das Schott des Torpedoschachts wieder geschlossen war, und der Erste Offizier gab die Meldung an die Techniker weiter.
    »Grün und überprüft«, bestätigte einer von ihnen.
    Schukow nahm den Kopfhörer von einem Ohr. »Wie sieht es dort draußen aus, Herr Kapitän?« fragte er.
    Gorow schaute weiterhin ins Periskop. »Nicht viel besser als vorher.«
    »Kein Vorsprung, auf dem wir landen können?«
    »Eigentlich nicht. Aber das Eis fällt noch immer.«
    Schukow schwieg und lauschte dem Maat am anderen Ende der Leitung. »Mündungsschott geschlossen.«
    »Grün und überprüft.«
    »Fluten Rohr Nummer eins.«
    Gorow achtete nicht genau auf die Sicherheitsmeldungen; seine volle Aufmerksamkeit galt noch dem Eisberg. Etwas stimmte nicht. Das treibende Gebilde verhielt sich plötzlich seltsam. Oder war es nur seine Einbildung? Er kniff die Augen zusammen, um den Eiskoloß zwischen den hohen Wellen, die noch immer regelmäßig das obere Periskopfenster überspülten, besser sehen zu können. Das Ziel schien nicht mehr länger nach Osten zu treiben. In der Tat glaubte er zu sehen, daß sein ›Bug‹ sich allmählich nach Süden drehte. Ganz, ganz leicht nach Süden. Nein. Absurd. Das war unmöglich. Er schloß die Augen und redete sich ein, daß er sich tatsächlich etwas einbildete. Doch als er wieder hinschaute, war er noch sicherer, daß...
    »Das Ziel verändert den Kurs!« sagte der Radartechniker.
    »Das kann nicht sein«, sagte Schukow verwirrt. »Nicht so schnell. Es hat keine eigene Kraft.«
    »Trotzdem ändert es den Kurs«, sagte Gorow.
    »Nicht wegen des Torpedos. Nur ein Torpedo — nicht mal all unsere Torpedos zusammen — kann keine so grundlegende Wirkung auf einen so großen Gegenstand haben.«
    »Nein. Hier ist etwas anderes am Werk«, sagte Gorow besorgt. Der Kapitän wandte sich von dem Periskop ab. Er zog ein Mikrofon aus einer Stahlfederhalterung an der Decke und sprach sowohl zur Besatzung des Kontrollraums als auch zu der des in Richtung Bug benachbarten Sonarraums. »Nehmen Sie eine

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