Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
Übermut und muss kontrolliert werden und ist Angst nur etwas für Memmen, aber nicht für Jungs, dann lernen die Kinder, dass diese Gefühle nicht angemessen und richtig sind. Um selbst angemessen und richtig zu sein, drängen sie sie weg. Körperliche Verspannungen helfen dabei ebenso wie kognitive Einstellungen: Das schaff ich schon; Was mich nicht umwirft, macht mich stark; Fühlen macht schwach etc.
Es wird den Kindern und späteren Erwachsenen zur Gewohnheit, den Kontakt zu ihren Gefühlen zu unterbrechen, denn sie wissen nicht, wie sie mit ihnen umgehen sollen, sollten sie sie spüren.
Die größere Gefühlsabwehr bei Männern erklärt Schwanitz mit der Theorie, wonach das Mannsein durch die Überwindung von Angst, Schmerz und inneren Regungen gelernt wird. Analog zu den alten Initiationsriten wird ein Mann zum Mann, wenn er alles Kindliche und Weibliche abgetötet und Mut und Tapferkeit bewiesen hat. Diese Überlegenheit bezahlt er mit der immerwährenden Angst, dem »Druck der heroischen Anforderungen« 30 nicht gewachsen zu sein und seine Identität als Mann wieder zu verlieren. Dagegen hilft am besten, Gefühle, Gemütsbewegungen und die Wahrnehmung der Innenwelt zu ignorieren und sich auf die Außenwelt, das Objektive und Eindeutige zu konzentrieren. Der Mann baut einen Damm gegen seine Gefühle auf und verliert damit im Lauf der Zeit das emotionale Wissen, das ihm einmal zur Verfügung stand. Als hätte er das Schreiben verlernt und sei zum Analphabeten mutiert.
»Um es auf eine Formel zu bringen: Für den Mann ist sein Inneres eine gefährliche Zone. Er betritt sie nur ungern. Für ihn stellt sie ein Minenfeld dar … Also empfindet er Widerwillen gegen jeden, der ihn dazu nötigt, diese Zone zu betreten.« 31 Und dieser jemand ist in der Regel die Partnerin!
Viele Untersuchungen bestätigen 32 , dass Frauen stärker emotional reagieren als Männer. Sie sind ängstlicher, ekeln sich häufiger, erleben Traurigkeit und Schmerz intensiver und erinnern emotionale Ereignisse besser als Männer. Zudem haben sie eine ausgeprägtere emotionale Mimik und können leichter über ihr emotionales Erleben sprechen.
Dass Emotionen und Gefühle eine neurophysiologische Basis haben, ist unbestritten. Es gibt bisher jedoch keine einheitliche Theorie, wie Emotionen im Gehirn verarbeitet werden und wie und ob die unterschiedliche Emotionalität von Mann und Frau physiologisch erklärbar wäre. Beispielsweise geht George Davis Snell, Medizin-Nobelpreisträger von 1980, davon aus, dass Frauen deshalb besser über Gefühle sprechen können, weil ihr Gefühlszentrum mit dem Sprachzentrum verschaltet ist, was bei Männern nicht der Fall sei. Louann Brizendine, eine amerikanische Neuropsychologin, behauptet, Frauen hätten einen »achtspurigen Highway«, um ihre Gefühle auszudrücken, Männer nur eine Landstrasse. Sie führt das auf die weiblichen Hormone zurück. »Bei der Geburt besitzt das weibliche Gehirn durchschnittlich elf Prozent mehr jener Gehirnmasse, die der Kommunikation und Verarbeitung von Emotionen und Erinnerungen dient, als die männliche.« 33 Sie nimmt an, dass durch das Testosteron bei männlichen Embryos Zellen des Kommunikationszentrums im Gehirn zerstört werden.
Andere Ansätze beziehen sich auf die unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau im Verlauf unserer Evolution. Die Anforderungen an emotionalen Austausch waren für die Frauen, die Kinder aufzogen und in kleinen Gruppen lebten, höher als für Männer, die auf die Jagd gingen und mit lösungsorientierten Aufgaben zurechtkommen mussten. Für sie war es wichtig, zielen und treffen zu können, um erfolgreich zu sein, die Frauen mussten die emotionalen Äußerungen der Kinder verstehen, um das Überleben zu sichern.
Übereinstimmung herrscht in der psychotherapeutischen Forschung darüber, dass neben den biologischen Voraussetzungen das soziale Lernen ein wesentlicher Faktor für den emotionalen Umgang ist. Das Kind hat von Anbeginn Emotionen, es wird jedoch sein Selbstbild und seine Gefühlspalette danach ausbilden, wie in seinem Umfeld auf diese Emotionen reagiert wird. Und gerade hier sahen wir, dass bei später narzisstischen Menschen ein großes Defizit besteht. Statt emotional positiv in ihren Gefühlen beantwortet zu werden, erleben sie eine Zurückweisung, die sie oft ein Leben lang selbst aufrechterhalten.
19. Bindung und Kompetenz
»Damit sich ein Gefühl der Identität entwickeln kann, bedarf es eines Gegenübers, das durch Liebe
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