Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
Frauen, den sogenannten Eisprinzessinnen. Sie wirken anziehend und verführerisch, sind aber emotional unnahbar. Je näher man ihrem Herzen kommt, umso kälter wird es. An diesem Punkt ähneln sie den »emotionalen Analphabeten«, die scheinbar nicht wissen, was Gefühle sind, geschweige denn, dass sie sie spüren können. Mangelnde Empathie als ein Kriterium der narzisstischen Persönlichkeit ist ihr Markenzeichen. Das ist für eine liebevolle, unterstützende Beziehung die denkbar schlechteste Voraussetzung.
Nach dem Muster der Komplementarität (siehe Kapitel 4) wird ein »emotionaler Analphabet« eine gefühlvolle Frau suchen, und die Eisprinzessin wird einen warmherzigen Mann favorisieren. Das, was sie selbst nicht besitzen, hat der Partner vielleicht sogar im Überfluss. Das kann zweierlei bewirken: Entweder erwärmen sie sich an ihrem Gegenüber und lösen damit ihre innere Versteinerung zugunsten von Beziehungsund Liebesfähigkeit. Oder sie halten die Emotionalität nicht lange aus, verschließen sich bzw. laufen weg. Der erste Fall kann eintreten, wenn der gewählte Partner oder die Partnerin nur wenig narzisstische Anteile hat und eine tragfähige Beziehung anbieten kann, in der Gefühle ebenso Platz haben wie Rationalität. Diese positive Beziehungsqualität zeichnet sich aus durch Beständigkeit, Aushalten von Frustration statt Beziehungsabbruch und das Aufeinander-Eingehen.
Doch wie lange hält der Partner einen Narzissten aus, von dem er emotional nichts zurückbekommt? Es ist nun mal auf Dauer unbefriedigend, mehr in eine Beziehung zu investieren, als man herausbekommt. Da bedarf es schon einer großen Ausdauer, Geduld, sowie Liebes- und Leidensfähigkeit, wenn die Beziehung einen glücklichen Ausgang nehmen soll. Auch gehört ein gesunder Narzissmus dazu, der die Voraussetzung dafür bietet, die Andersartigkeit des anderen nicht mit Angst und Abwehr zu beantworten, sondern sie zu akzeptieren oder sogar als Bereicherung zu schätzen.
In einer Studie von Schneewind aus dem Jahr 2003 nannten 32 Prozent der 663 untersuchten Paare auf die Frage: »Was hält Ihre Ehe zusammen?«: Toleranz und Akzeptanz, den andern so zu nehmen, wie er ist.
Das klingt einfacher, als es ist, vor allem für narzisstische Menschen, die ja genau das Gegenteil anstreben. Sie wollen den anderen so haben, wie sie ihn für die Stabilisierung ihres eigenen Selbstwertgefühls brauchen. Mit ihrem »expanded self« (siehe Kapitel 10 und 11) untergraben sie die Andersartigkeit regelrecht, und mit der Tendenz zur Konfluenz, dem Verschmelzen, machen sie aus zwei Einheiten eine. Andersartigkeit zuzulassen hieße, dem anderen seine Eigenständigkeit und Autonomie zuzugestehen. Das gelingt nur dem, der keine Angst, sondern Vertrauen in seinen Partner/ seine Partnerin hat.
Bis sie an diesen Punkt kommen, haben Narzissten einen weiten Weg, so wie Julia.
In die Therapie kam sie, weil sie unzufrieden war mit ihrem Leben, mit ihren Beziehungen, sich nirgends einlassen konnte und keine Perspektive hatte. Sie war fast vierzig und wie sollte es weitergehen?
Im Kontakt mit Julia wird schnell deutlich, wie sehr sie über ihre Gefühle hinweggeht, versucht, alles rational zu lösen und den Kontakt zu sich verloren hat. Über Verletzungen als Kind oder durch die Ex-Partner spricht sie wie über eine Wettermeldung, ohne Gefühl und Regung. Es fällt ihr nicht einmal auf, dass sie nichts dabei fühlt. Das habe sie in ihrer Familie gelernt, da gab es keine Gefühle, keine körperlichen Berührungen, keine Zärtlichkeit. Jeder musste funktionieren und durfte keine Schwächen zeigen. Kam es doch vor, dann hieß es: »Stell dich nicht so an. Reiß dich zusammen«, eine Botschaft, die Julia so verinnerlicht hat, dass sie zu einer allgegenwärtigen Verhaltensregel für sie wurde. Was sie von sich verlangt, nämlich stark zu sein und keine Schwächen zu zeigen, gilt selbstverständlich auch für die anderen, für Freunde, Partner und Therapeuten. Durch diese Einstellung wirkt sie schroff, ungeduldig und unerbittlich, obwohl sie eine freundliche Frau ist, die meist lächelt und sich offen und verbindlich gibt. Das ist bei ihr eine gut einstudierte Fassade, hinter der sich eine andere Julia verbirgt, eine, die sich verunsichert fühlt, keine gute Meinung von sich hat und vor allem nicht glaubt, liebenswert und anziehend für einen Mann zu sein. Diesen Makel kompensiert sie mit Kontrolle, Perfektionismus und einem attraktiven Äußeren.
Das Problem bei ihr
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