Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
immer öfter vorzuspielen, was meine Eltern als Undankbarkeit und Eigensinn abtaten. Statt meine Not zu sehen, sahen sie nur sich und ihren elterlichen Stolz. Ich musste der Welt zeigen, was für tolle Eltern sie waren, indem ich fehlerlos wurde. Ich habe bis heute keine Flöte mehr angefasst.«
In diesem Zitat wird deutlich, wie die sogenannte narzisstische Ausbeutung funktioniert. Nicht das Bedürfnis und die Person des Kindes sind von primärer Bedeutung, sondern der Wunsch der Eltern nach Anerkennung, Bestätigung und Applaus. Wie kann das besser erfüllt werden als über die Begabung des Kindes, die sich die Eltern zu eigen machen, um ihr eigenes narzisstisches Defizit auszugleichen und ihren Selbstwert zu erhöhen. Das Kind erfüllt diese Aufgabe, obwohl das eine große Last ist, die es überfordert und zu Minderwertigkeitsgefühlen führt. Zugleich nimmt das Kind aber auch eine besondere Position in der Familie ein, die wichtig macht und mit Größenvorstellungen verbunden ist. So entsteht ein innerer Zwiespalt zwischen Nichtigkeit und Besonderssein, zwischen Depression und Grandiosität, unter dem Narzissten ihr Leben lang leiden.
Die Idealisierung führt zum Drama des begabten Kindes, wie ein Buch von Alice Miller aus dem Jahr 1979 betitelt ist. Es beschreibt das frühe Schicksal narzisstischer Erwachsener, die als Kinder zwar überhöht, aber als die Person, die sie waren, nie gesehen und gespiegelt wurden. Verwöhnte Kinder sind auch verlassene Kinder, weil niemand da ist, der sie sieht und auf sie eingeht, wie sie wirklich sind. Sie passen sich an und werden so, wie man sie haben will, auch wenn sie sich dafür verleugnen müssen.
Der Film Krupp – eine deutsche Familie ist ein Lehrstück in Sachen Narzissmus und Schmuckstück-Kind, denn er zeigt die Entwicklungsdynamik auf eindrucksvolle Weise. Alfried, der Erstgeborene, wird von klein auf in die Rolle des Krupp-Erben »hineinerzogen«, egal, ob sie ihm passt oder nicht. Das Kind wird in etwas hineingedrängt, was andere sich ausdenken. Nur der Erstgeborene erbt die Firma samt Vermögen und Verantwortung. Die Geschwister sind Statisten, die in ihrer Bedeutung unter dem Erben stehen, dafür aber mehr Freiheiten haben, sich zu entwickeln. Die Beziehungen in der Familie sind im Wesentlichen funktionalisiert und eingeschränkt auf Gehorsam, Leistung und Anpassung. Es gibt kaum liebevolle Zuwendung und Interesse für die Kinder als Person. Alle sollen nur ihre Rolle und Pflicht erfüllen, die Eltern ebenso wie die Kinder. Der Verlust an Menschlichkeit zugunsten der grandiosen Idee, des Mythos, ist in jedem Dialog spürbar.
Schon seine Großmutter machte ihm unmissverständlich klar, nicht mit anderen Jungen zu spielen, sondern sich nur mit seinesgleichen abzugeben. Und das war die Familie. Hier regiert die narzisstische Überhöhung, die alles unter sich begräbt: Wir sind besser, wir sind die Besten! »Spiel nicht mit den Schmuddelkindern.«
Alfried, ein Junge, dem seine Sensibilität, Ungeschicklichkeit und sein Wunsch nach »normalen« Beziehungen mit aller Strenge, Härte und Überredungskunst ausgetrieben wird, wächst allmählich hinein in eine Aufgabe, die ihn hart werden lässt. Erdrückt von den elterlichen Erwartungen opfert er die Liebe zu seiner Frau zugunsten des Ziels, jemand zu werden, der er im Grunde nicht ist, sondern zu dem er gemacht wurde und sich macht. Eine Kunstfigur sozusagen, mit der er sich dann identifiziert. Seine Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen von Leben müssen sich diesem Anpassungsprozess unterordnen. Das bedeutet, er muss sich unterordnen, bis er nicht mehr er selbst ist. Am Ende bleiben Pflichtbewusstsein, Erfolg, Härte, Leere und Einsamkeit. Aber auch die Überheblichkeit, die ihm seine grandiose Rolle zuschreibt. Doch die Identifizierung mit der Grandiosität ist trügerisch, denn hinter ihr lauert immer der Einbruch in die Minderwertigkeit und Depression.
18. Die Eisprinzessin und der »emotionale Analphabet«
Narzissten werden von anderen oft als eingefroren oder als »emotionale Analphabeten« beschrieben, wobei Gefühllosigkeit zumeist den Männern unterstellt wird. Sie ziehen sich zurück, wenn die Partnerin über Gefühle spricht, sind unfähig, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen und einfühlsam mitzuschwingen. Stattdessen reagieren sie mit Unverständnis oder gar Ablehnung, wechseln das Thema oder sogar den Raum.
Doch wir finden einen verminderten Zugang zu Gefühlen auch bei
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