Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
mit ihr. Er geht nicht auf sie ein, nimmt weder Rücksicht auf sie, noch interessiert er sich für das, was sie ausdrücken will. Es geht ihm nur um sich. Auch er hat seine Realität, seine Befürchtungen, was sie wohl von ihm will, und kann kein wirkliches Echo, keine wirkliche Zuneigung aushalten, geschweige denn annehmen. Bei Narziss wird durch die Begegnung mit Echo sein ungelöstes Mutter-Thema aktiviert. Auf der einen Seite war er der verwöhnte, schmückende, angehimmelte Sohn und bekam auf diese Weise viel Zuwendung. Auf der anderen Seite wurde er für die Wünsche der Mutter ausgebeutet. In einer solchen Beziehung zwischen Mutter und Kind mag es an affektiver Bindung nicht fehlen, wohl aber an »Verlässlichkeit, Kontinuität und Konstanz« 47 und an Raum, in dem das Kind seine eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Grenzen erleben kann. Eine Mutter, die ihren Sohn einmal mit überschwänglicher Liebe bedrängt und ihm das andere Mal Desinteresse zeigt, macht es dem Sohn schwer, seine Identität zu entwickeln. Er fühlt sich als Spielball ihrer Launen, kann sich aber auch nicht dagegen abgrenzen, da er auf die Liebe der Mutter angewiesen ist. Besonders dann, wenn, wie bei Narziss, der Vater fehlt, der ausgleichend wirken könnte. Ein solches Kind wird später gegenüber Frauen vermutlich dieselben ambivalenten Gefühle entwickeln wie zur Mutter. Sie reichen von Angst vor Vereinnahmung und Ausgeliefertsein über den Hass, nicht er selbst sein zu dürfen, bis zur Idealisierung und Bewunderung der unerreichbaren Frau. Zudem fühlt er sich als Retter, der die Frau glücklich machen und zufriedenstellen muss, um von ihr geliebt zu werden. Er hat es ja gut gelernt, herauszufinden, wie sie heute »drauf« ist, was sie braucht und was er tun kann, um ihr ein Lächeln zu entlocken. Die Aufmerksamkeit ist nur auf die Mutter /Frau gerichtet, nicht mehr auf sich selbst. Die früh gelernte Selbstentfremdung setzt sich in der erwachsenen Beziehung fort.
Aufgrund des gemeinsamen narzisstischen Schicksals haben Narziss und Echo nicht erfahren, was es heißt, achtungsvoll miteinander umzugehen. Die seelische Not steht im Vordergrund und fordert ihren Tribut. Am Ende gehen beide unter, Echo ebenso wie Narziss. Von ihr bleibt die Stimme, das Echo, von ihm die Blume, die Narzisse. Beide können nichts miteinander anfangen.
Wie würde die Geschichte wohl enden, wenn Echo sprechen könnte und Narziss einen anwesenden Vater gehabt hätte?
Das könnte dann den Weg nehmen wie bei Andrea und Horst. Beide waren über 40, als sie sich kennenlernten. Er war fasziniert von Andrea, die selbstbewusst und gut aussehend großen Eindruck auf ihn machte. Er fühlte sich sehr geschmeichelt, eine so schöne Frau erobert zu haben, und konnte es lange nicht glauben, dass sie ein Paar waren. Ihm gefiel die Art, wie sie nächtelang miteinander reden konnten, sich witzig und spritzig die Bälle zuwarfen und miteinander lachten. Nichts trübte das Glück, auch der Sex stimmte. Aber nach einem halben Jahr merkte Horst, dass Andrea Seiten von sich zeigte, die ihn irritierten. Auf der einen Seite lobte sie sich über Gebühr, was ihr alles in ihrem Job wieder gelungen sei, auf der anderen Seite wurde sie anhänglich und passiv fordernd. Sie war beleidigt, wenn Horst nicht gebührend auf sie einging, fragte selbst aber nie, wie es ihm geht. Sie stritten sich immer häufiger, oft aus nichtigem Anlass, und es wurde immer schwieriger, an die erfüllenden Zeiten zu Beginn der Beziehung anzuknüpfen. Nach jedem Streit zeigte sie sich am nächsten Tag wieder von ihrer charmanten Seite, war liebenswürdig und anziehend wie eh und je. Diese Wechselbäder ertrug Horst nicht mehr und er fing an, sie mit dem zu konfrontieren, was ihm an ihr auffiel. Zuerst reagierte sie gekränkt, machte ihm Szenen und drohte mit Trennung. Doch Horst ließ nicht locker und mit der Zeit öffnete sich Andrea. Sie gestand ihm, ängstlich und unsicher zu sein und durch jede Kritik sehr verunsichert zu werden. Sie befürchte, ihm nicht zu genügen, und frage sich, warum er überhaupt mit ihr zusammen sei. All ihre Selbstzweifel verbarg sie hinter der Maske der erfolgreichen, scheinbar unerreichbaren Frau, doch durch die Nähe zu Horst und seine Fragen bröckelte die Fassade. Sie hatten zwar eine neue Basis, auf der sie weitermachen konnten, doch wieder war Andrea im Fokus. Horst geriet zunehmend in eine Pseudo-Therapeuten-Rolle und kam in der Beziehung zu kurz.
Es geschieht häufig, dass
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