Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
Vom Netzwerk:
direkte Aufschlag des Körpers auf dem Terrassenboden mit einer Geschwindigkeit von etwa 75 Stundenkilometern erfolgt. Das erklärt auch die Schwere der inneren Verletzungen. Stürze aus sehr großer Höhe auf eine Wasseroberfläche können ähnliche Verletzungen verursachen wie beim Auftreffen auf festem Untergrund
.
    Suizide durch Sturz aus der Höhe werden meist durch ältere Personen begangen. Sie erfordern keinerlei Vorbereitungen. Tatorte sind überwiegend Krankenhäuser und Heime (Sprung aus dem Fenster). Brücken oder Aussichtstürme bilden als Absprungstelle eher die Ausnahme, werden dann jedoch überwiegend von 14- bis 25jährigen Personen bevorzugt. Ihr Anteil beträgt 14 Prozent aller Suizide durch Sturz aus der Höhe
.
    Ein schneller, entsetzlicher Tod, schlußfolgert Rinke. Er blättert in Katharinas Taschenkalender, findet jede Menge vergangene und künftige Termine, scheinbar wichtige und unwichtige. Doch eine Markierung am 11. März weckt sein Interesse. Dieser Tag ist mit einem Kugelschreiber mehrfach umkreist worden, eine Auffälligkeit, die sonst nirgends zu finden ist.
    Er konzentriert sich auf die kurze Eintragung: „Sylvi Geburtstag. Nur sie liebe ich!!!“ Ist das die Sylvia, an die sich Katharinas Mutter erinnert hatte? Sind diese wenigen Worte nicht ein Indiz für Beziehung, Vertrautheit, vielleicht sogar Intimität? Rinke ahnt dunkel, daß über diese Sylvia die Klärung des Selbstmordmotivs erfolgen könnte. Er ist fürs erste zufrieden.
    Der Rest des Vormittags vergeht mit der Vernehmung des Liebespärchens, das die Tote gefunden hat. Dann tippt er das Protokoll über die Befragung der Eltern. Am Nachmittag ist er im Institut für Lehrerbildung auf Achse, unterhält sich mit Lehrpersonal und Studenten. Aber niemand dort kennt eine Sylvi oder Sylvia. Erst am folgenden Tag stößt er bei den Recherchen im Pionierpalast, in dem Katharina Praktikantin war, auf den nächsten nützlichen Hinweis. Einer Mitarbeiterin, die in der Vergangenheit mehrmals mit ihr abends zum Tanzen im Haus der Jungen Talente war, sei aufgefallen, daß Katharina dort bekannt sei wie ein bunter Hund. Einmal habe Katharina ihr einen gewissen Frank vorgestellt, der dort im Hause tätig ist und über ein Büro verfügt. Katharina und Freunde Franks würden sich gelegentlich in diesem Büro mit jungen Künstlern treffen, um abseits vom ohrenbetäubenden Discolärm in kleinem Kreis über interessante Themen zu talken und zu philosophieren. Katharina sei durch eine gewisse Sylvia in diesen erlauchten Kreis eingeführt worden.
    Als Rinke diesen Namen hört, fragt er neugierig: „Kennen Sie diese Sylvia näher?“
    „Nicht besonders, ich habe sie ja nur einmal gesehen. Sie ist Bibliothekarin in der Unibibliothek. Ich denke, Katharina war mit ihr befreundet.“
    „Können Sie sie beschreiben?“ will Rinke wissen.
    „Sie ist viel älter als Katharina, so um Mitte Dreißig, schlank, etwa ein Meter siebzig groß. Mit einem ganz kurzen Haarschnitt. Sehr pflegeleicht, verstehen Sie?“
    Natürlich versteht Rinke und streicht sich demonstrativ über sein auffallend schütteres Haar.
    Die Befragte setzt fort: „Sie scheint ein lustiges Haus zu sein. Und selbstsicher. Auf mich wirkte sie ziemlich sympathisch. Katharina war immer ganz happy, wenn sie über Sylvia sprach. Aber mehr weiß ich nicht.“
    Rinkes Ermittlungen am Dienstag in der Universitätsbibliothek führen schnell zum Erfolg: Man kennt dort eine junge Frau mit kurzem Haar und dem Vornamen Sylvia, die am 11. März Geburtstag hat. Ihr Nachname ist Wozniak. Der Zufall ist auf seiner Seite: Sie hat gerade Dienst im Lesesaal.
    Erstmalig in seinem Leben betritt Rinke die heiligen Hallen der Universitätsbibliothek. Als er die Tür zum Lesesaal öffnet, empfängt ihn das leicht muffige Flair alter Bücher. Rinke ist beeindruckt. Überall nur Bücher. Gesammeltes Wissen aus Jahrhunderten. Menschen sitzen an langen, uralten Eichentischen, vertieft in ihre Lektüre. Andächtige Stille liegt über dem Saal. Hinter einem mit Büchern und Karteikästen überladenen Tresen erspäht Rinke eine junge Frau, etwa Mitte Dreißig, mit kurzen braunen Haaren, die gerade irgendwelche alten Schwarten in ein Regal sortiert. Er steuert auf sie zu und fragt resolut: „Fräulein Wozniak?“
    Ungewollt hallt seine Stimme durch den Saal, als ob sie vielfach verstärkt wird. Rinke erschrickt, fühlt, zu laut gesprochen zu haben. Denn: Wie auf Kommando blicken die in ihre Bücher vertieften

Weitere Kostenlose Bücher