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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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und der Todesursache. Den ärztlichen Vorschriften entsprechend war dazu in der Regel eine Inspektion der unbekleideten Leiche erforderlich
.
    Leichenöffnungen mußten – bei nichtnatürlichen Todesfällen oder bei unklarer Todesart durch Anordnung des Staatsanwalts (gerichtliche Sektion) – vorgenommen werden, wenn die Todesursache nicht festgestellt werden konnte, bei verstorbenen Schwangeren und Kreißenden, bei Totgeborenen, bei Verstorbenen, die das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, bei unbekannten Toten sowie auf Wunsch der Angehörigen. Leichenöffnungen bei Verstorbenen mit meldepflichtigen Krankheiten, Berufskrankheiten konnte der Amtsarzt anordnen
.
    Der Anteil der Leichenöffnungen in der DDR lag erheblich über dem in der Bundesrepublik.
    Mit dem schrillen, durchdringend an- und abschwellenden Geheul des Sondersignals verschwindet das Notarztfahrzeug in der Dunkelheit. Einer der Uniformierten sichert die Fundstelle in respektvollem Abstand zum Leichnam der jungen Frau. Indes harrt der andere oben auf dem Turm am Eingang zur Aussichtsplattform geduldig aus. Rinke will jetzt von beiden Auffindungszeugen wissen, wie und wann sie die Tote entdeckt haben und ob ihnen andere Personen begegnet sind. Er entläßt sie bald, aber nicht, ohne sie für ein ausführliches Protokoll am Montag ins Präsidium zu bestellen.
    Sein Interesse gilt nun der Bekleidung der jungen Frau. Sorgfältig durchsucht er die Taschen ihrer hellgrauen Baumwollhose und des Anoraks nach etwas Persönlichem, das ihm weiterhelfen könnte. Doch vergeblich. Bis auf ein Feuerzeug, eine halbgefüllte Zigarettenschachtel der Marke „Cabinet“ und ein Taschentuch kann er nichts finden. Erst die Suche in der weiteren Umgebung der Toten führt zum Erfolg. Unterhalb des Plateaus, von dem aus der Müggelturm in die Höhe ragt, und das von einem eisernen Zaun eingegrenzt wird, liegt etwa zehn Meter entfernt im Gesträuch eine prall gefüllte schwarze Gürteltasche aus widerstandsfähigem Textil, offensichtlich durch die Aufprallwucht dorthin geschleudert. Rinke ist zufrieden: Neben einer Geldbörse mit einigen Mark Inhalt findet er Kosmetika, Taschenkalender und Kugelschreiber, vor allem aber einen Personalausweis und andere persönliche Dokumente. Nun weiß er, die Tote heißt Katharina Schade, ist 21 Jahre alt, wohnt in Berlin-Köpenick, im Allendeviertel und ist Studentin am Institut für Lehrerbildung in der Lindenstraße.
    Hauptmann Rinke schießt einige Fotos von der toten Frau. Dann beauftragt er den Uniformierten, den Leichnam mit einer Plastikfolie abzudecken.
    Nun steigt er den Turm zur Aussichtsplattform empor. An der Brüstung hängengebliebene Textilfasern und die Schürfspuren an der Absprungsstelle sind zu sichern.
    Den Umständen nach liegt der Verdacht nahe, daß die junge Frau freiwillig auf die Brüstung geklettert sein muß, um sich in die Tiefe zu stürzen.
    Bald erscheinen die unbeliebten Männer in den schwarzen Dienstanzügen mit ihrem ebenso schwarzen Wagen. Sie wollen den Leichnam zum Institut für Gerichtliche Medizin in die Hannoversche Straße transportieren. Doch das Einsargen gelingt nur mit Mühe, weil die unzähligen geborstenen Knochen den Körper in eine Art schlaffen Sack verwandelt haben.
    Rinke steht nun vor einer schweren Aufgabe: Er muß die nächsten Angehörigen finden, ihnen behutsam die Entsetzen, Verzweiflung und Ohnmacht bringende Nachricht übermitteln. Schon viele hundert Male hat er sich in ähnlicher Situation befunden. Doch jedesmal muß er sich erneut zwingen, die eigene Hilflosigkeit zu unterdrücken, wenn er die ersten heftigen emotionalen Reaktionen der Betroffenen erlebt. Es gilt schließlich auch unter diesen Bedingungen, eine korrekte polizeiliche Arbeit zu leisten und die Gedanken auf die Beantwortung der jetzt wichtigsten kriminalistischen Frage zu richten: Welche Motive hatte die junge Frau, ihrem Leben auf diese absurde Weise ein Ende zu setzen?
    Rinke fährt zum Allendeviertel. Die Anschrift im Personalausweis der toten Katharina Schade ist sein Ziel. Auf dem Klingelschild neben der Eingangstür des hochgeschossigen Plattenbaus stößt er auf den Namen „Eberhard Schade“. Rinke klingelt. Eine metallisch klingende männliche Stimme meldet sich: „Ja, bitte?“
    „Kriminalpolizei, Hauptmann Rinke! Ich muß Sie dringend sprechen!“ ist die kurze Antwort.
    Die Blechstimme meldet sich erneut: „Fahrstuhl rechts, sechste Etage!“ Dann summt der Türöffner.
    Als Rinke die

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