Ekel / Leichensache Kollbeck
Selbstmordmotiv. Ein offizielles Ergebnis gibt es nicht. Statt dessen wird die Version vom Nervenzusammenbruch Apels neu belebt. Normalerweise dürfte es heutzutage darüber keine Unterlagen mehr geben. Denn: Nach einer Anweisung des Generalstaatsanwalts der DDR wurden alle abgeschlossenen Ermittlungsvorgänge über verdächtige Todesfälle bei der zuständigen Staatsanwaltschaft aufbewahrt. Und die Frist dafür betrug zehn Jahre. Man kann daher vermuten, daß emsige Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft die Unterlagen pflichtgemäß spätestens im Jahr 1976 dem Reißwolf überantworteten. Jedoch: Die unermüdlichen Jäger und Sammler des MfS könnten die Akte Apel mit ihrem brisanten Inhalt – entgegen der Anweisung des Generalstaatsanwalts – vorsorglich hinter dicken Stahlschranktüren gebunkert haben. Die Zukunft wird zeigen, ob der Schleier des Geheimnisses im Fall Erich Apel weiter gelüftet werden kann.
Zwar stehen derzeit nur wenige Fakten zur Verfügung, die auf die Beweggründe für den Selbstmord hinweisen könnten. Doch sie gestatten begründete Versionen.
So ist bewiesen, daß Apel Selbstmord verübt hat. Dies anzuzweifeln wäre absurd. Doch die Erfahrung lehrt, daß gerade nichtnatürliche Todesfälle Prominenter zügellose Spekulationen heraufbeschwören können. Und das ohne Rücksicht auf die objektive Beweislage. Sie verfolgen meist bestimmte politische Intentionen, dienen Gruppeninteressen und produzieren zählebige Mythen.
So auch im Fall Apel: In ihrem 1997 beim Akademie Verlag Berlin erschienenen Buch „Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen“ behauptet die Autorin Monika Kaiser mit einigen weichen Einschränkungen, Erich Apel sei vom sowjetischen Geheimdienst KGB heimtückisch ermordet worden. Den Beweis muß sie allerdings schuldig bleiben
.
Weiterhin sind jene äußeren Umstände von Bedeutung, die Erich Apel letztlich in eine subjektiv nicht mehr lösbare Konfliktlage geführt haben können. Kriminalistisch liegt nahe, sie zunächst in seinem persönlichen Milieu zu suchen. Aber weder in der Ehe noch im familiären Umfeld sind disponierende Konfliktstoffe zu finden.
Ergeben sie sich vielleicht doch aus den Problemen bei der Abstimmung des Volkswirtschaftsplans, derentwegen es zwischen der Führungsspitze und Apel zu schweren Auseinandersetzungen kam, so wie die westdeutschen Medien berichteten?
Der DDR-Chefideologe Kurt Hager hält in seinen 1996 erschienenen „Erinnerungen“ solcherart Behauptung „nicht für stichhaltig“. Doch hat er für den Tod Apels keine Erklärung.„Die Tat war bedauerlich. Erich Apel war ein fähiger Leiter, der sich für den Erfolg seiner Wirtschaftsreform einsetzte“, ist Hagers spärlicher Kommentar, der ahnungslos in der Frage endet: „Handelte er aus depressiver Stimmung?“ Doch mehr kann der einstmals Mächtige dazu nicht sagen. Sein Name könnte Hase sein!
Die Beweisdefizite lassen keine andere Möglichkeit zu, als sich den Beweggründen für den Selbstmord Erich Apels dadurch zu nähern, indem biographische Daten, Absichten und wirtschaftspolitische Ereignisse in zeitliche Zusammenhänge gebracht werden:
Die wirtschaftspolitische Karriere des Dipl.-Ing. für Maschinenbau Erich Apel beginnt nach seiner Tätigkeit als Minister für Schwermaschinenbau im Jahre 1958. Der damals 41jährige wird Leiter der Wirtschaftskommission beim SED-Politbüro. Fortan beschäftigt er sich mit Problemen der Standardisierung und Rentabilität der sozialistischen Volkswirtschaft. In der Volkskammer ist er Vorsitzender des Staatlichen Ausschusses für Wirtschafts- und Finanzfragen und Chef des Wirtschaftsausschusses. 1960 erfolgt seine Wahl zum Mitglied des ZK der SED. Im gleichen Jahr promoviert er mit der Dissertation „Das Chemieprogramm der DDR – ein wichtiger Faktor im ökonomischen Wettbewerb zwischen Sozialismus und Kapitalismus“. 1961 avanciert Apel zum Sekretär des ZK und zum Kandidaten des SED-Politbüros. Ein Jahr später wird er Mitglied des Präsidiums des Ministerrats.
1963 löst er den bisherigen Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission, Karl Mewis, ab, der für die wirtschaftlichen Mißerfolge gerügt wurde. Der bienenfleißige Apel entwickelt das „Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“, mit dem die starre, zentralistische Kommandowirtschaft aufgelockert werden soll. Er setzt sich dafür ein, mit wissenschaftlicher Führungstätigkeit,
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