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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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wirklich nur müde und kaputt?“
    „Ja, ich bin total breit von der vielen Lauferei und möchte nur schlafen“, antwortet Lucretia und drängt die Schwester, sie möge ihr Tagesprogramm deshalb nicht abbrechen.
    Als Claudia am Abend zum Hotel zurückkehrt, liegt Lucretia immer noch im Bett, die Decke weit über den Kopf gezogen. Doch sie schläft nicht.
    „Mir geht’s nicht besonders“, klagt sie, „ich kann auch nicht schlafen, habe den ganzen Tag nur gedöst. Appetit habe ich auch nicht.“
    „Hast du ’ne Depression?“ fragt Claudia besorgt.
    „Nee, ich glaube nicht, habe alles im Griff. Du brauchst dich nicht zu sorgen. Morgen wird’s mir wieder besser gehen“, beruhigt Lucretia ihre Schwester.
    Auch am nächsten Tag, es ist der letzte vor der Rückreise, hat sich Lucretias Zustand nicht gebessert. Ihr Gesicht ist blaß, wirkt müde und um Jahre gealtert. Die Kraft- und Antriebslosigkeit haben zugenommen. „Der Teufel in meinem Leib macht mich fertig“, stöhnt sie. Und nur mit äußerster Anstrengung gelingt das Kofferpacken.
    „Wirst du’s bis nach Hause schaffen, wir haben einen langen Weg?“ will Claudia wissen.
    „Doch, doch, es wird schon gehen. Ich packe das schon“, antwortet Lucretia müde.
    Rückreise am Samstag, dem 14. Juni 1980. Lucretia fühlt sich ein wenig besser. Doch der Tag wird für beide eine Tortur: Frühzeitiges Aufstehen, schnelles Frühstück. Warten. Hastiger Transfer zum Flughafen. Dann langes Warten. Flug nach Berlin. Wieder langes Warten. D-Zug ab Berlin, mehrere Stunden Fahrt. Glücklicherweise haben sie Platzkarten, denn der Zug ist proppenvoll. Kurz nach 20.00 Uhr endlich in Erfurt. Welch eine Fügung: Sie erhaschen ein Taxi. Claudia begleitet ihre Schwester nach Hause.
    „Am Montag gehst du zum Arzt. Versprichst du mir das?“ fordert Claudia.
    „Ja, ich glaube, es geht nicht anders“, jammert Lucretia. Sie hält die Augen halb geschlossen, als ob sie das Licht blende. Ihre Brauen haben sich finster-traurig zusammengezogen, zwischen ihnen bilden sich häßliche Sorgenfalten.
    „Soll ich bei dir bleiben?“ fragt Claudia ernst.
    „Nein, bitte, laß mich allein. Ich schaffe das schon. Und Montag geh ich zum Arzt“, verspricht Lucretia.
    „Vorsichtshalber nehme ich deine Zweitschlüssel von der Wohnung mit. Wenn du die Tür hinter mir abschließt, zieh den Schlüssel raus, damit ich reinkomme. Spätestens Morgen abend bin ich wieder hier, klar?“ sagt Claudia bestimmend.
    „Ist gut, geh nur, laß mich, mach dir keine Sorgen!“ ist Lucretias letzter Satz. Sie begleitet Claudia zur Tür, die sie dann geräuschvoll verschließt.
    Claudia schläft lange in den Sonntag hinein. Dann gibt es zu tun: Die Wäsche aus dem Koffer ist zu waschen, die Eltern müssen besucht werden, wollen schließlich auch wissen, wie die Reise war. Endlich, am späten Nachmittag, fährt sie zu Lucretia. Deren Fenstervorhänge sind noch zugezogen. Man kann es von der Straße aus sehen. Claudia klingelt. Vergeblich. Sie wird noch schlafen, denkt sie und öffnet behutsam die Tür.
    Drinnen packt sie das pure Entsetzen: Lucretia liegt, seitwärts geneigt, reglos auf der Schlafcouch. Ihre Augen sind trübe, spaltweit geöffnet, ohne jegliches Leben. Die rechte Hand ragt ein wenig unter der Decke hervor. Blaurote, großflächige Verfärbungen der Finger und der Unterseite des auf der Matratze aufliegenden Armes sind sichere Zeichen ihres Todes, der schon vor vielen Stunden eingetreten sein muß. Verzweifelt streicht Claudia über Lucretias blasse Wangen. Dort sind keine solch schrecklichen Flecke. Vielleicht ist noch etwas Leben in ihnen? Doch sie sind so kalt, als wäre Winter. Sie schreckt zurück. Jetzt weiß sie: Lucretia ist tot. In ihrer Fassungslosigkeit fällt sie vor der toten Schwester auf die Knie und betet. Es ist ein langes Gebet, viele Minuten dauernd. Dann hat sie sich etwas beruhigt. Jetzt sieht sie sich im Zimmer um: Die Koffer sind noch nicht ausgepackt. Auf dem Tisch liegen Dutzende Reiseprospekte, Postkarten, Souvenirs, das Flugticket, der Reisepaß – Relikte eines längst vergangenen Erlebnisses. Daneben ein leeres Wasserglas, eine fast geleerte Flasche Rotwein. Und: Wie achtlos weggeworfen, fünf leere Tablettenröhrchen des stark wirkenden Medikaments „Kalypnon“, ein barbitursäurehaltiges Schlafmittel.
    Doch da liegen auch mehrere Blatt Papier, eilig beschrieben. Es sind Lucretias letzte Worte, gerichtet an ihre Familie. Sie machen die ganze Tragik der

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