Ekel / Leichensache Kollbeck
Wartezeit mit Nikotingenuß überbrückt werden kann.
Ein zweiter, etwas jüngerer Mann betritt die Szene. Auch sein Interesse gilt nicht dem eigentlichen Verwendungszweck des Raums. Er fingert eine Zigarette aus einer Schachtel „F6“, klemmt sie sich zwischen Zeige- und Mittelfinger, hält sie vor den Mund und steuert auf Arno Beskow zu. Der scheint dessen Anliegen bereits zu erahnen. Noch ehe der andere seine Frage nach Feuer ganz ausgesprochen hat, ist Beskow mit seinem Feuerzeug zur Stelle.
Nun rauchen beide Männer, und die Kommunikation nimmt ihren Lauf:
„Wart’ste ooch schon so lange?“ fragt der Jüngere.
„Ja, das dauert ewig. Der ganze Vormittag geht drauf“, ärgert sich Arno Beskow.
„Was fehlt’n dir?“ will der andere nun wissen.
„Ich mußte zum Röntgen. Die Lunge, verstehst du. Ich habe seit Wochen so’n komischen Husten, aber erkältet bin ich nicht. Jetzt warte ich auf den Befund!“
„Ach so! Na, und ich …, ich hab’s mit’m Magen. Zwee Drittel ham’se mir schon rausjenommen, vor zwee Jahre. Nu muß ich widder zur Untersuchung“, teilt der Jüngere mit. Der Dialog wird unterbrochen:
Ein dritter Mann betritt den Raum. Doch er geht zielstrebig auf eines der Pissoirbecken zu. Umständlich nestelt er an seinem Hosenschlitz. Es folgt ein kurzer, angespannter Blick auf einen imaginären Punkt innerhalb des Keramikbeckens. Als die ganze Prozedur beendet ist, wendet sich der Mann den beiden Rauchern zu: „Heißt einer von Ihnen Beskow?“
Der Angesprochene ist erstaunt: „Ja, ich!“
„Ich glaube“, setzt der Mann am Becken fort, „Sie wurden schon ein paar Mal aufgerufen.“
Beskow drückt die Zigarette aus und verläßt flugs den ungastlichen Ort. Schnurstracks meldet er sich bei der Dame an der Anmeldung: „Beskow, mein Name! Hatten Sie mich schon aufgerufen?“
„Na, junger Mann, alles wartet schon auf Sie. Haben Sie Tomaten auf den Ohren?“ erregt sich die Schwester
„Tschuldigung“, lenkt Beskow ein. „Ich war nur eine rauchen!“ „Sie halten den ganzen Betrieb auf“, ereifert sich die Vertreterin des staatlichen Gesundheitswesens, wird dann aber versöhnlich: „Dann gehn Se mal zum Sprechzimmer neun, der Doktor wartet schon auf Sie!“
Beskow klopft zaghaft an die ihm zugewiesene Tür. Eine Schwester öffnet ihm:
„Herr Beskow?“ fragt Sie freundlich. Er will erklären, warum er sich verspätet hat, doch sie kommt ihm zuvor: „Nehmen Sie einen Augenblick Platz, Herr Doktor kommt gleich!“
Die Schwester verschwindet in einem Nebenraum. Beskow setzt sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und wartet. Eine Minute später erscheint ein Mann im weißen Kittel, ein Stethoskop um den Hals, eine Patientenakte und zwei Röntgenaufnahmen in der Hand. Er wirft einen kurzen Blick auf Beskow: „Na, da sind Sie ja!“
Beskow erklärt: „Ich war nur eine rauchen …“
Mit einer Kopfbewegung macht der Doktor deutlich, daß ihn die Gründe für die Verspätung nicht weiter interessieren. Mit kurzem Ruck klemmt er die beiden Röntgenaufnahmen an die leuchtenden Milchglasscheiben und fragt beiläufig: „Wieviel rauchen Sie denn so am Tag?“
„So zwischen zwanzig und dreißig“, antwortet Beskow unschuldig.
Der Mann im weißen Kittel betrachtet die Röntgenbilder eine Zeitlang, ohne ein Wort zu sagen. Sein Gesicht wird dabei zunehmend ernster.
„Tja, Herr Beskow“, beginnt der Arzt seine Erklärung, „ich will es Ihnen nicht verschweigen. Das hat das Rauchen verursacht. Sehen Sie hier …“ Er umkreist mit dem Zeigefinger eine kleine helle Stelle auf dem Röntgenbild: „Da ist ein Tumor an den Bronchien. Der verursacht das ständige Husten.“
Arno Beskow wird kreidebleich, stöhnt verzweifelt: „Das ist das Ende!“
„Na, na, na“, versucht ihn der Arzt zu beruhigen, „noch wissen wir überhaupt nicht, ob es ein Bronchialkarzinom ist. Es kann ebenso ein Adenom, also etwas Gutartiges sein. Das müssen wir noch weiter untersuchen. Wir machen erst mal eine Computertomographie. Außerdem gucken wir uns die Bronchien mal von innen an. Wir zwicken ein Stück vom Gewebe raus und untersuchen es. Dann wissen wir mehr. Machen Sie sich jetzt keine unnötigen Sorgen. Nur: Stellen Sie das Rauchen ein, ganz konsequent!“
Beskow nickt, doch sein Kopf ist leer. Er hustet trocken, schaut den Arzt mit großen, angstvollen Augen an und fragt: „Können Sie mir das noch mal erklären?“
„Natürlich“, meint der Arzt und doziert: „Also: Es kann eine
Weitere Kostenlose Bücher