Ekel / Leichensache Kollbeck
gutartige Geschwulst sein. Dann operieren wir sie ganz in Ruhe raus. Denn sie könnte jederzeit bösartig werden. Aber um das rauszukriegen, müssen wir erst eine Bronchoskopie machen. Natürlich unter Narkose. Und dabei entnehmen wir ein winziges Stück Gewebe. Dann wissen wir genau, ob die Geschwulst bösartig ist. Und sollte sie es sein, gibt es immer noch Mittel und Wege. Doch das soll uns jetzt nicht belasten. Und die Computertomographie: Sie ist ein computergestütztes Röntgenverfahren. Da machen wir schichtweise Aufnahmen. So entgeht uns nichts.“
„Es ist bestimmt was Bösartiges!“ klagt Beskow.
„Ich will Ihnen nichts vormachen, aber das weiß ich wirklich nicht“, versucht der Arzt ihn zu beschwichtigen.
„Wie lange habe ich noch zu leben, wenn es bösartig ist?“ fragt Beskow ängstlich. Eine kurze Hustenattacke überfällt ihn: Es ist ein trockenes, heiseres Bellen, das Schmerzen in der Brust hervorruft.
„Guter Mann, nun bleiben Sie mal ganz ruhig! Als erstes hören Sie mit dem Rauchen auf. Das hat Vorrang vor allem anderen! Und zweitens warten wir die Untersuchungsergebnisse ab. Machen Sie sich also jetzt nicht verrückt. Bei allem Ernst der Sache!“ ermahnt ihn der Arzt, „Ich schreibe Ihnen eine Überweisung zur CT. Holen Sie sich dann an der Anmeldung einen Termin. Soll ich Sie krankschreiben?“
„Nein, nein, das geht nicht. Ohne mich läuft’s nicht!“ jammert Beskow.
„Was arbeiten Sie denn?“ fragt der Arzt.
„Ich bin Dachdeckermeister, habe einen kleinen Betrieb mit ein paar Angestellten. Ohne mich geht da alles drunter und drüber. Da kann ich nicht einfach krankmachen!“
Der Mann in Weiß wechselt das Thema: „Haben Sie beim Husten machmal einen blutigen Auswurf?“
Beskow verneint.
„Fühlen Sie sich körperlich noch so fit, daß Sie arbeiten können?“ fragt der Arzt weiter.
„Doch, doch“, meint Beskow selbstbewußt.
„Na gut, dann gehen Sie mal arbeiten! Aber denken Sie daran: Keinen Glimmstengel mehr!“ ermahnt ihn der Doktor.
Arno Beskow unterhält im Norden Magdeburgs, in der Nähe des Zoologischen Gartens, eine kleine Firma mit Kontor, vier Angestellten, einer Lagerhalle und mehreren Baufahrzeugen. Seine Gattin erledigt die Büroarbeiten. Manchmal hilft dabei die Tochter, die mit einem Musiker des „Maxim-Gorki-Theaters“ eheliche Bande geknüpft hat. Neben dem Betriebsgelände, das einstmals zur längst nicht mehr existierenden Gärtnerei seiner Eltern gehörte, steht sein schmuckes, geräumiges Einfamilienhaus. Vor Jahren selbst erbaut, steckt viel Schweiß, Geld und Ärger darin. Nun ist es sein ganzer Stolz. Er hat längst gelernt, mit den Widrigkeiten sozialistischer Planwirtschaft und den knappen Zuteilungen, die der volkseigene Baustoffgroßhandel parat hat, zu leben. Wenn der Mangel auch nahezu das ganze Land beherrscht, über einen Mangel an Aufträgen kann er sich nicht beklagen. Sie sichern ihm ein überdurchschnittliches Lebensniveau: Beachtliches Sparkonto, Nobelkarosse „Lada“, 200-Liter-Meeresaquarium im Wohnzimmer, Sauna im Keller, Swimmingpool und viele nützliche Beziehungen zu Vertretern anderer Gewerke.
Als Arno Beskow die Poliklinik verläßt, fühlt er sich hundeelend. Die emotionslose Mitteilung des Arztes hat nicht nur die quälende Befürchtung ausgelöst, sein Leben könne womöglich auf so hinterhältige Weise bald beendet sein, sondern vor allem die Angst vor einer Chemotherapie entfacht. Er weiß: Rücksichtslos greift sie den ganzen Menschen an, schwächt sämtliche Lebensgeister und nährt lediglich unsinnige Hoffnungen, nur um das Ende ein paar Monate hinauszuzögern. In dieser Hinsicht kann ihm niemand etwas vormachen. Immerhin hat er bei seiner Mutter hautnah miterlebt, wie sie vor einigen Jahren von einem Unterleibskrebs dahingerafft wurde, und wie sie vorher die Qualen mehrerer Operationen und Chemotherapien erduldete. Und alles war sinnlos.
Er bezweifelt, ob die Ärzte ihm überhaupt klaren Wein über seinen Zustand einschenken werden. Vielmehr glaubt er, daß sie sich aus Bequemlichkeit hinter der ärztlichen Schweigepflicht verschanzen.
Beskow will nicht begreifen, warum das Zigarettenrauchen das Übel ausgelöst haben soll. Denn: Sein Vater, der inzwischen über 80 Jahre alt ist und jetzt unbeschwert in einem Altersheim lebt, erfreut sich bester Gesundheit. Und das, obwohl dieser seit seiner Jugend raucht, und nicht nur Zigaretten, sondern auch Zigarren.
Während er seinen Gedanken nachhängt, wird
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