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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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sich für die hervorragenden Entwürfe für die letze Revue, die ein voller Erfolg wurde. Er wünsche sich weiterhin eine gute Zusammenarbeit.
    Dieters Augen strahlen voller Stolz, als er Martina den Brief vorliest. Das, was da schwarz auf weiß geschrieben steht, übertrifft ihre kühnsten Erwartungen. Sie ist gerührt, mit welcher Geschwindigkeit ihr Freund die Treppe zu künstlerischem Ruhm zu erklimmen scheint.
    Wochen vergehen. Der Herbst des Jahres 1971 bricht herein. Dieter nimmt einen Spaziergang zum Anlaß zu erklären, wieder einen wichtigen Auftrag übernommen zu haben. Diesmal ginge es um eine Bühnenausgestaltung für das Pressefest einer Erfurter Zeitung. Nach Realisierung dieses Projekts wolle er mit ihr in den Urlaub nach Thüringen fahren.
    Martina ist erfreut. „Laß uns doch zu dem Pressefest fahren. Ich habe noch nie eine Bühne von dir gesehen“, wünscht sie sich. „Ach, bei dem Trubel. Die vielen Menschen. Wir werden gar kein Hotelzimmer kriegen“, wiegelt er ab.
    „Nicht mal ein Foto habe ich von deinen Bühnen gesehen. Meinst du, daß mich deine Arbeit nicht interessiert?“ fragt sie, und in ihrer Stimme schwingt die Enttäuschung mit.
    Dieter flüchtet sich in schwülstige Ausreden: Es wären geheime Projekte dabei. Es sei ihm untersagt, sie mit den Produkten seines künstlerischen Schaffens vertraut zu machen. Seine absurde Reaktion stößt Martina bitter auf. Zum ersten Mal zweifelt sie an seiner Glaubwürdigkeit, und zum ersten Mal fühlt sie sich irgendwie mit seiner argwöhnischen Mutter solidarisch. Sie wird nachdenklich. „Wie kommt es eigentlich, daß die immer nur was von dir wollen. Haben die Theater keine eigenen Grafiker?“ will sie plötzlich wissen.
    „Na, du weißt doch, alles geht nur mit Vitamin B“, beschwichtigt er sie, doch Martina versteht ihn nicht. „Vitamin B heißt Beziehungen. Und die habe ich nun mal bei denen, die die Aufträge vergeben. Da sitzt auch ein Behinderter, der macht das für mich“, setzt er den angefangenen Gedanken fort.
    Martina beendet die Fragerei. Es ist ihr peinlich, Dieter auf die Weise zu bedrängen. Aber je mehr sie darüber nachdenkt, wie angeblich die Künstlerwelt um ihn buhlt, den Behinderten, der das Metier nicht studiert hat, bei dem sie niemals eine Skizze sieht, der ihr als seine engste Vertraute nie ein fertiges Produkt seiner Tätigkeit zeigt, dafür aber jeden Lobesbrief präsentiert, von ihr weiteres Lob erheischend, um so unglaubhafter erscheinen ihr seine Geschichten. So glimmt tief in ihr der Zweifel weiter.
    Die Zeit vergeht. Dieter ist auch etwas stiller geworden, spinnt nicht mehr ganz so viel. Oft ist er in sich gekehrt und spricht stundenlang kein Wort. Seine Zeit für sie ist knapper geworden. Er muß sich angeblich mit der Bühnengestaltung für das Pressefest beschäftigen. Als er schließlich mitteilt, fertig zu sein, und Martina einen erneuten Vorstoß wagt, mit ihm gemeinsam zum Pressefest nach Erfurt zu reisen, weigert er sich hartnäckig und rettet sich wie ein Politiker mit einer simplen Obstruktionstaktik: Es sei unseriös. Was sollen die Kollegen denken, wenn er da plötzlich auftauche. So etwas muß man vorher absprechen. Im übrigen würde er im Urlaub die Umstände seines Verhaltens näher erläutern. Jetzt ginge das nicht.
    Und als Martina bescheiden anmerkt, daß sie sich lediglich unter das Publikum mischen und die Bühne nur aus der Entfernung einmal sehen wolle, redet er wieder auf sie ein: Es gäbe mit dem Auftraggeber eine Vereinbarung, wonach er immer im Hintergrund bleiben müsse, denn in Wirklichkeit sei er als Schattenmann, sozusagen als Ghostwriter, für einen renommierten Grafiker tätig. Kurzum: Im Urlaub würde er alles erklären.
    Nun glaubt Martina ihm kein Wort mehr. Doch sie ist klug genug, eine häßliche Konfrontation zu vermeiden, die ein laut geäußerter Zweifel auslösen könnte. Statt dessen lehnt sie sich demonstrativ in ihrem Rollstuhl zurück: Dieses Thema berührt sie nicht mehr. Lieber schluckt sie die Probleme, die sich zwischen ihr und Dieter allmählich aufzutürmen scheinen, und denkt sich ihren Teil.
    Einige Wochen später. Martina hat das Thema Pressefest tatsächlich nicht mehr angeschnitten, doch Dieter scheint zu merken, wie sehr sie sich innerlich von ihm entfernt hat. Er wirkt bisweilen traurig. Dann beklagt er, daß das Leben nur mit ihr schön wäre. Alles wolle er dafür geben, mit ihr zusammenzubleiben. Momentan hätte er aber zu viele Probleme um die

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