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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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ab. Länger als eine Stunde suchen sie. Vergeblich. Nirgends ist ein passendes Stechwerkzeug aufzuspüren.
    Inzwischen ist der Leichensachbearbeiter der Kriminalpolizei aus Prenzlau, Oberleutnant Kringel, ein gemütlich wirkender, schlankwüchsiger Endfünfziger, eingetroffen, um die Tatortarbeit zu übernehmen. Kurz darauf erscheint auch das schwarz verglaste Fahrzeug des Bestattungsdienstes. Die Leiche wird zur Obduktion in das Schweriner Institut für gerichtliche Medizin überführt.
    Langsam läßt auch die ungewöhnliche Betriebsamkeit am Tatort nach: Der Arzt muß zur Sprechstunde. Bauer Wilhelm Schäfer kuppelt den Anhänger an seinen Traktor und tuckert davon. Der ABV kehrt in sein Dorf zurück, und auch das Interesse der Neugierigen läßt nach. Nun wird es schnell wieder ruhig auf der Landstraße zwischen Woldegk und Friedland.
    Die Version des Arztes, der Melker Seidel könne womöglich Opfer eines Tötungsverbrechens sein, hält Oberleutnant Kringel durchaus für stichhaltig. Doch die ersten Recherchen bestätigen die bisherigen Indizien nicht. Kein weiterer Anhalt läßt sich finden. Statt dessen kristallisiert sich überraschenderweise eine weitere Version heraus. Den Umständen nach könnte es nämlich sein, daß sich der Melker Seidel selbst getötet hat. Auf den ersten Blick erscheint diese Möglichkeit nahezu abwegig, doch Kringel läßt nicht mehr von ihr ab.
    Der Melker Seidel hatte in der Vergangenheit mehrmals über Selbstmord gesprochen. Er lebte allein und zurückgezogen. Seine Ehefrau starb vor einigen Jahren, und die verheiratete Tochter lebt schon lange im Vogtland. Manchmal sei er ziemlich schwermütig gewesen, vor allem, wenn er getrunken hatte. Die Leute im Dorf munkeln schon lange, Seidel habe vor Jahren einmal einen Selbstmordversuch unternommen und irgendwelche Schädlingsbekämpfungsmittel getrunken. Tagelang hätte er im Krankenhaus gelegen. Die Zechbrüder des Melkers wunderten sich, daß er bei ihrem letzten Zusammentreffen am Biertisch das Gespräch immer wieder auf die Frage des Selbstmordes gelenkt habe, freilich nur in allgemeiner Art. Man habe in der Trinkerrunde über die Möglichkeit eines schmerzlosen und sicheren Abgangs aus dieser Welt diskutiert. Wenn er sich einmal umbringen würde, habe Edgar Seidel gemeint, wolle er sich weder aufhängen, noch mit Schlaftabletten vergiften, sondern sich in die Kehle stechen und ausbluten lassen, genauso wie er ein Schwein schlachte. „Das tut nicht weh, und wenn man die richtige Stelle trifft, geht es schnell und ist sicher“, soll er gesagt haben.
    Könnte Seidel im Suff womöglich diesen abwegigen Gedanken in die Tat umgesetzt haben? Dann aber müßte er nach Beibringen der Verletzung das Tatwerkzeug weit von sich geschleudert haben. Wäre er in der Lage gewesen, derart zu reagieren?
    Kringel hat auf derlei Fragen zwar keine Antwort parat, doch die Vorgeschichte des Melkers begründet die vage Vermutung eines Selbstmordes zumindest ebenso wie die eines Mordes. Er telefoniert mit der Gerichtsmedizin Schwerin, bittet dringend um einen fachlichen Rat. Am anderen Ende der Leitung hört Dr. Wolff, der Leiter des kleines Instituts, aufmerksam zu. Er hält eine kurze Fernvorlesung über die mögliche Handlungsfähigkeit Hirnverletzter. In deren Kern geht es darum, daß „der Mann trotz der beschriebenen Verletzungen durchaus minutenlang handlungsfähig gewesen sein kann“. Den Gedankenaustausch verkürzend, sagt der Gerichtsmediziner abschließend: „Morgen früh sezieren wir die Leiche. Kommen Sie her, dann wissen wir bald mehr!“
    Kringel ist zufrieden. Pünktlich erscheint er am nächsten Morgen im Schweriner Sektionssaal. Dr. Wolff, ein mittelgroßer, agiler Typ mit gutgepflegtem Schnauzbart, erwartet ihn. Der entkleidete Leichnam des Melkers Edgar Seidel liegt bereits auf dem Sektionstisch.
    Bevor der Doktor das Skalpell zum ersten Schnitt ansetzt, führt er vorsichtig eine Sonde in die Halswunde des toten Mannes und meint beiläufig: „Wir haben im Kniebereich der Hose und an den Händen massenhaft Erdreichspuren und Abrieb von Holunderrinde sichern können.“
    Langsam gleitet das Gerät durch den Wundkanal. Dieser führt aufwärts durch den hinteren Mundboden, den Gaumen und endet in der Schädelhöhle.
    „Fünfzehn bis sechzehn Zentimeter tiefer Stichkanal“, stellt der Doktor fest. „Es kann durchaus sein, daß sich der Mann auf dem Heimweg von der Kneipe mit einem spitzen Gegenstand von links nach rechts oben in den

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