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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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menschlichen Körpers wahrnehmen, mit Zweigen und Laub halb abgedeckt. Eine aschfahle, mit Erdreich verschmutzte, zu halb geöffneter Faust verkrampfte Hand ragt aus dem welken Blattwerk hervor. Näher wagt sich die Frau nicht heran, sorgsam darauf bedacht, auch die Distanz zu dem Unbekannten nicht zu verringern.
    „Das ist ja schrecklich!“ stammelt sie entsetzt.
    „Ich habe nichts berührt“, entgegnet der Mann und drängt: „Nun fahren Sie schon los. Holen Sie die Polizei, ich passe solange hier auf!“
    Der Frau kommt es sehr gelegen, den düsteren Ort und den unheimlichen Mann schnell verlassen zu können.
    „Bleiben Sie, ich fahre nach Frankenberg und schicke die Polizei her!“
    Flugs steigt sie auf ihr Rad und tritt mit vollen Kräften in die Pedale. Wenig später ist ein Streifenwagen aus Frankenberg zur Stelle, und der Mann schildert den Volkspolizisten seine Entdeckung. Aus sicherer Entfernung überprüfen sie die Szene. Während der eine dann zum Fahrzeug zurückkehrt, um über Funk den Operativen Diensthabenden des VPKA Hainichen zu informieren, nimmt der andere den Mann behutsam zur Seite: „Gut, daß Sie nichts berührt haben. Bitte bleiben Sie hier, wir müssen den Tatort absperren!“
    Rudi Korges, ein untersetzter Fünfundvierziger, langjähriger Chef der Morduntersuchungskommission in Karl-Marx-Stadt, bildet mit einem Kriminaltechniker, der strukturell seiner Mannschaft angehört, die Vorhut der kommenden Betriebsamkeit. Sie stellen ihr Fahrzeug, ein unauffälliger grauer Barkas-Kleinbus, der die notwendigen technischen Ausrüstungen für die Spurensuche beherbergt und trotzdem ausreichenden Platz für erste Vernehmungen im freien Gelände bietet, quer zum Lichtenwalder Weg. Nur das Blaulicht, seine schnellen Impulse in die Dämmerung abgebend, verrät die Herkunft des Fahrzeugs.
    Der Kriminaltechniker schießt die ersten Fotos, und Hauptmann Korges inspiziert die Fundstelle der Leiche.
    Nach und nach treffen weitere Funkwagen ein: Schutzpolizisten, ein Hundeführer und der Rest der alarmierten Morduntersuchungskommission, dann Dr. Heinemann, der Gerichtsarzt aus Leipzig. Sie alle werden für die nächsten Stunden wichtige Aufgaben zu erfüllen haben. Lästigen Wespen auf einem Pflaumenkuchen gleich erscheinen aber auch die sogenannten „Funktioner“, wie Korges sie nennt. Es sind die wichtigtuenden Funktionäre des Kreises und des Bezirkes, die aus Gründen des Staats- und Parteiinteresses sich über den Sachstand informieren dürfen, dabei unsinnige Fragen stellen oder Forderungen erheben, die in diesem Untersuchungsstadium völlig unangebracht sind. Rudi Korges ist einerseits bestrebt, ihr Informationsbedürfnis zu befriedigen, andererseits speist er sie mit Nebensächlichkeiten und solchen Informationen ab, von denen er weiß, daß sie keinen Schaden anrichten. Freundlich, sachlich, kühl und knapp sind die Auskünfte. Ansonsten konzentriert er sich auf die Organisation der Tatortuntersuchung.
    Der Spaziergänger, der die Leiche entdeckte, sitzt bereits auf der engen Bank im Kleinbus und wird der peinlichen Befragung eines Auffindungszeugen unterzogen. Zwei Kriminalisten fahren nach Frankenberg, um die Radlerin zu vernehmen, die im Polizeijargon „Anzeigeerstatter“ heißt und als Auslöser der Aktion grundsätzlich für besonderes Interesse sorgt. Die nähere Untersuchung des Fundorts erfolgt erst, nachdem der Fährtenhund seine Schnüffelaufgabe erfüllt hat. An der Abdeckung der Leiche nimmt er zunächst zielbewußt eine intensive Witterung auf, trabt dann aber kreuz und quer hangaufwärts und hangabwärts durch das Dickicht, bis er sich schließlich erschöpft und mißmutig mitten auf den Lichtenwalder Weg niederlegt.
    „Wieder ein Hundeeinsatz ohne Ergebnis“, schlußfolgert Korges, ohne Groll gegen den Vierbeiner, der ihn in der Vergangenheit durchaus nicht immer enttäuscht hatte.
    Der Kriminaltechniker hat inzwischen einen Arbeitsweg markiert, auf dem sich keine bedeutsamen Spuren befinden. Er dient fortan als Zu- und Abgangsweg zum eigentlichen Fundort der Leiche. Korges und Dr. Heinemann streifen sich Gummihandschuhe über und treten nun erstmalig dicht an den zweig- und laubbedeckten Hügel heran, aus dem die fahle Hand herausragt, die den Spaziergänger so entsetzte.
    Die Hand ist zart und zierlich, könnte die eines Kindes oder einer jungen Frau sein. Dr. Heinemann hebt sie etwas an, besichtigt die Unterseite des Armes. „Die liegt schon länger hier, die Fäulnis ist

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