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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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auf Spielplätzen umherzustreifen.
    Manchmal jedoch verspürte er einen leichten Hauch schlechten Gewissens, Unrechtes zu tun. Doch auf absonderliche Weise rechtfertigte er sich damit, die Kinder im Grunde gern zu haben. Zwar grapsche er an ihnen herum, doch er liebkose sie ja auch und sei bemüht, ihnen keinen Schmerz zuzufügen. Außerdem wolle er sowieso damit aufhören, um künftig mit seiner Freundin Marion ohne Angst vor Entdeckung zusammenzuleben. Doch das Vorhaben, so drängend es sich in ihm auch ausbreitet, bleibt nur ein frommer Wunsch. Sein Wille ist gelähmt wie der eines Süchtigen, der sich verzweifelt aus der Umklammerung seines Übels zu befreien versucht. Die guten Vorsätze fallen schnell in sich zusammen. Um so mehr üben die kindlichen, jungen Körper und ihre zarte Haut eine überwältigende Anziehungskraft aus, der er letztlich nicht ausweichen kann.
    Der leichte Gewissensbiß bleibt daher ohne nachhaltige Wirkung. Das Unterbewußtsein läßt ihn erst dann wieder für einige Zeit zur Ruhe kommen, wenn er auf seine Weise die Kinder besessen hat.
    Seine Freundin Marion ahnt nicht im geringsten, von welchen heimlichen Leidenschaften er manchmal getrieben wird. Sie hält seine Zärtlichkeiten und sexuellen Wünsche für durchweg normal, ängstigt sich lediglich vor seinen unberechenbaren Jähzornsausbrüchen, die seine alkoholischen Exzesse meist begleiten.
    So vergehen die Monate. Und während auf Anordnung der sozialistischen Obrigkeit weite Teile des Landes der Arbeiter und Bauern die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Gründung der ruhmreichen Sowjetunion mit neuen Initiativen im Wettbewerb und patriotischen Losungen vorbereiten, rackert der Maler Rainer Brunk tagsüber pinselschwingend und tapeteklebend für seinen Betrieb und an manchen Abenden noch dazu für sich selbst.
    Es ist Mittwoch, der 20. Dezember 1972. In den frühen Abendstunden erscheint Rainer Brunk auf dem VP-Revier Proskauer Straße. Der für ihn zuständige ABV, ein gemütlich wirkender älterer Leutnant kurz vor der Altersberentung, empfängt ihn am Tresen der Wache.
    „Nanu, wie kommt’s denn, du bist doch für heute gar nicht eingeteilt?“ fragt dieser überrascht.
    „Samstag Vormittag muß ich für Weihnachten vorarbeiten, das Wochenende will ich freihalten. Deshalb komme ich lieber heute schon.“
    „Dann komm mal rein, Genosse Brunk, ein anderer Genosse ist bereits auf dem Abschnitt. Der müßte aber in einer halben Stunde zurück sein. Du kannst dann mit mir auf Streife gehen!“ Während der ABV irgendwelche Protokolle tippt, schaut Brunk, um die Zeit zu überbrücken, mit großem Interesse die aktuellen Fahndungsinformationen durch.
    Auch ein Karton mit alten Tatortbildern aus der Sammlung des ABV ist das Ziel seiner Neugierde. Eine undefinierbare schaurig-wohlige Erregung ergreift ihn, wenn er Fotos von toten menschlichen Körpern ansieht. Sein unbewußtes Wohlbehagen beim Anblick dieser Bilder kaschiert er mit dienstlichem Eifer und kriminalistischem Interesse. Der ABV ist gern bereit, hier und da einen kurzen Kommentar zu den entsprechenden Fällen abzugeben.
    Wenig später befinden sich die beiden Ordnungshüter in der Umgebung des Boxhagener Platzes auf Streifengang.
    Es ist ein milder, trockener Dezemberabend, gar nicht stilvoll für die Zeit so kurz vor dem Weihnachtsfest. Die Temperaturen fallen nicht einmal nachts unter den Gefrierpunkt.
    „Wieder ein Weihnachten ohne Schnee“, klagt der ABV, während er eine „Gebührenpflichtige Verwarnung“ – wie das „Knöllchen“ zu DDR-Zeiten hieß – hinter den Scheibenwischer eines Falschparkers klemmt, „viel zu warm für diese Jahreszeit. Wenn das so weitergeht, treiben meine Rosen aus, und im März haben wir dann den schönsten Frost und alles ist hin!“
    „Ich kann auf den Winter verzichten“, entgegnet Brunk und denkt daran, daß die gegenwärtigen Wetterbedingungen immer noch Außenanstriche erlauben.
    Der Vertreter der uniformierten Staatsmacht und sein ehrenamtlicher Helfer überqueren gemächlichen Wachtmeisterschritts den Wismarplatz. Dort überprüfen sie beide Telefonzellen, ob nicht böse Buben die Hörer abgerissen oder die Automatenkasse illegal entleert oder sogar staatsverleumderische Hetzlosungen an die Innenwände geschmiert haben.
    Dann führt sie der Weg durch die Mainzer Straße, deren erdrückende Trostlosigkeit nur Armen, Alten, Aussteigern und mittellosen Kriminellen ein Zuhause bietet. Viele, vom langen Zahn der Zeit bis

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