Ekel / Leichensache Kollbeck
Kontrollperson“ beauftragt.
Bis zur Beendigung des spätabendlichen Streifengangs ballen sich in Brunks Seele Eifersucht und Verärgerung über seine Freundin zu einem gefährlichen Zorn zusammen. Die Liste mit den Namen der Kontrollpersonen verwahrt er sicher in seiner Brieftasche.
Am nächsten Morgen geht Rainer Brunk ziemlich widerwillig seinem Broterwerb nach. Doch eine ausgedehnte Frühstückspause, zu der bereits reichlich Bier fließt, verkürzt das Tagwerk. Noch vor 12 Uhr mittags klebt er die letzte Tapetenbahn.
Auf dem Heimweg beschließt er, seinen Ärger in Alkohol zu ertränken, weil Marion ihm das Wochenende restlos versaut hat. Er kauft sich eine halbe Flasche „Goldbrand“, ein Weinbrandverschnitt zweifelhafter Güte, und schüttet sie zu Hause in kurzer Zeit in sich hinein. Immer noch denkt er an Marion und ihr unverzeihliches Verhalten. Der plumpe Zufall, sie auf diese Weise erwischt zu haben, bestärkt seine Vermutung, daß sie ihn nicht das erste Mal getäuscht haben könnte. Der Groll gegen sie wächst.
Der Alkohol in seinem Körper zeigt schnelle Wirkung. Ein unwiderstehlicher Bewegungsdrang ergreift Macht über ihn. Unablässig schreitet er durch seine kleine Wohnung, und die Wut in ihm produziert entsetzliche Flüche.
Dann streift er seinen Anorak über und verläßt mit dem Gedanken „Nur raus hier, ich brauche frische Luft!“ das Haus. Zügige Bewegung beschleunigt die Verbrennung des Alkohols im Körper. Draußen atmet er tief durch. Die kühle Dezemberluft tut ihm gut. Er zwingt sich mit forschem Schritt gegen die Macht des Körpers, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.
So geht er, nur auf sich selbst konzentriert, einige Minuten. Die Enttäuschung über Marions Eskapade wühlt in seinem Inneren. Er gelangt schließlich zu einer simplen, nahezu haßerfüllten Schlußfolgerung: Die Frauen taugen nichts! Höchstens zum Bumsen! Und in dem Maße, wie sich die Aversionen gegen das erwachsene weibliche Geschlecht zusammenballen, überkommt ihn eine unbändige Lust nach sexueller Befriedigung mit einem Kind, einem Mädchen, nicht zu jung, nicht zu alt, am besten so um die zehn Jahre.
Und während ihn dieser Wunsch immer stärker in Anspruch nimmt und unmerklich die Motorik seines Körpers lenkt, wird aus dem einfachen Spaziergang die triebhafte Suche des Sexualtäters.
Nun streift sein Blick über die Menschen auf der Straße, ob sich unter ihnen ein geeignetes Kind befindet, tastet gleichzeitig vorsorglich die Fensterfronten ab, um auszuschließen, daß ihn neugierige Augen verfolgen. Nur ein einziger Gedanke lenkt ihn jetzt: die Befriedigung seiner Lust. Minutenlang hetzt ihn sein Verlangen durch die Straßen.
Da, plötzlich, in der Weichselstraße kommt ihm eine Schar Schulkinder entgegen, in kleinen Grüppchen, ferienfreudig ausgelassen, größere und kleinere, Jungen und Mädchen. Brunks Sinne sind nun hellwach. Jetzt kommt die Gelegenheit direkt auf ihn zu.
Lachend, sich neckend und schubsend ziehen die ersten Kinder vorüber, ohne ihn zu bemerken. Seine Nerven sind aufs äußerste gespannt. Er verlangsamt seinen Schritt. Drei größere Kinder kommen ihm entgegen. Er schätzt ihr Alter auf zehn bis zwölf Jahre. Emsig schleppen sie ihre viel zu schweren Schultaschen. Eines der Kinder gefällt ihm auf Anhieb. Es scheint ein Mädchen zu sein. Helle blonde Haare quellen unter seiner bunten Strickmütze hervor. Ein zartes Gesicht, aus dem zufriedene Kinderaugen lachen. Das ist sie!
Brunk läßt die Kinder an sich vorüberziehen. Noch hat er sein Ziel nicht erreicht, noch könnten Bedingungen eintreten, die sein Vorhaben schnöde vereiteln. Dann verfolgt er sie aus sicherer Distanz mit der festen Absicht, die nächste Gelegenheit sofort zu ergreifen.
Nur eine Straßenecke weiter verbündet sich der böse Zufall mit ihm: Am Traveplatz verabschieden sich zwei der Kinder von dem mit der bunten Strickmütze und lassen es allein weiter ziehen. Rainer Brunk nähert sich jetzt dem Kind, das arglos die Straßenseite wechselt. Hinter seinen Schläfen pocht die Erregung. Er vergewissert sich, daß die beiden anderen Kinder seinem Blick entschwunden sind. Nun packt die Bestie ihr Opfer. Scheinheilig tritt er heran: „Na, froh, daß Weihnachtsferien sind?“
Das Kind nickt wortlos. Es scheint überrascht zu sein, plötzlich angesprochen zu werden. Ein wenig argwöhnisch bemerkt es: „Ich darf nicht mit fremden Leuten sprechen!“
„Das soll man auch nicht“, beruhigt Brunk das Kind
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