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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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Titel „Lineare Operatoren in normierten Räumen“ – noch komplett vorhanden ist. Und in der Wochenendausgabe der „Berliner Zeitung“ vom 3. April 1971 erscheint eine kurze Information der Volkspolizei unter der Überschrift „Verbrechen an 30jähriger Frau“. Die Bevölkerung wird zur Mitarbeit aufgerufen. Viele Hinweise gehen bei der MUK ein.
    Wie ein Lauffeuer breiten sich auch neue Gerüchte über den Messerstecher von Rahnsdorf aus.
    Gleich nach der Presseveröffentlichung meldet sich der Rentner Gawlik aus Erkner bei der MUK. Er ist einer der wichtigsten Zeugen in dieser Ermittlungsphase, da er am Mittwoch, dem 24. März, gegen 19.20 Uhr, vom S-Bahnhof Ostkreuz in Richtung Erkner fahrend, mit dem Mordopfer zusammengewesen sei. Er beschreibt nicht nur die Bekleidung der Frau, macht genaue Angaben über den zeitlichen Ablauf der Fahrt, sondern vermittelt auch die Kenntnis über ein wichtiges Detail, das in der Veröffentlichung nicht genannt wird: „Die Dame hat ein Buch über Mathematik gelesen. Der Titel war mir völlig unverständlich, reines Fachchinesisch!“
    Nun läßt sich, zusammen mit den Aussagen anderer Zeugen, der Bewegungsablauf von Frau Görschdorf und die Zeit des Überfalls nahezu lückenlos rekonstruieren. Und als schließlich ein Zeuge aussagt, er habe zur fraglichen Zeit einen schwarzhaarigen Mann, Mitte bis Ende 20, bekleidet mit Bluejeans – zu der Zeit noch eine textile Rarität in der DDR –, hinter der jungen Frau im Fischgrätenmantel herlaufen sehen, erreicht die Fahndung ihren Höhepunkt.
    Wieder gehen viele Hinweise bei der MUK ein. Unzählige zeitaufwendige Nachforschungen sind die Folge. Doch jede aufkeimende Hoffnung, den schwarzhaarigen Mann mit den Jeans endlich gefaßt zu haben, zerschlagen sich bei näherer Überprüfung. So vergehen die nächsten Wochen.
    Vielitz löst sich langsam von dem Gedanken, der „Jeansmann“ sei der Schlüssel zur Lösung des Falls. Nun läßt er in Berlin und im Bezirk Frankfurt/Oder einen Straftatenvergleich durchführen, erfaßt alle männlichen Jugendlichen und Erwachsenen, die wegen sexueller Übergriffe oder Gewalttätigkeiten aufgefallen sind. Und er schließt in den Vergleich auch Personen ein, die sich in der Vergangenheit Frauen in bedrohlicher Weise genähert hatten, ohne dafür gerichtlich verurteilt worden zu sein.
    Mehr als 800 Personen sind zu überprüfen – eine zeitraubende, Geduld erfordernde kriminalistische Routinetätigkeit.
    Alle Einzeldaten werden mühsam nach der seinerzeit üblichen, für Massenüberprüfungen durchaus effektiven, Kerblochmethode aufbereitet.
    Nach einem bestimmten Schlüssel wurden auf den Randstreifen spezieller Karteikarten die Daten der zu überprüfenden Person eingelocht, so daß ein bestimmtes Kerblochmuster entstand. Nach gleichem Schlüssel konnten die tatrelevanten Daten selektiert werden. Dazu schob man in die Kerblöcher der in einer speziellen Vorrichtung fixierten Karteistapel lange Nadeln. Die Karteien der unverdächtigen Personen blieben an den Nadeln hängen, die der verdächtigen fielen aus der Vorrichtung heraus.
    Während in den siebziger Jahren in den USA bereits der Durchbruch enorm platzsparender Computer der dritten Generation gelang, arbeitete man in der DDR mit riesigen EDV-Anlagen (z. B. mit dem „Robotron 300“, dessen Zentraleinheit nebst Ein- und Ausgabegeräten sowie externen Speichern zwei große Räume füllte).
    Die Datenverarbeitung im Bürobereich mittels der einfachen Lochkartenmethode blieb lange Zeit das Mittel der Wahl. Erst zehn Jahre später fanden die heute üblichen Personalcomputer ihre Verbreitung.
    Um die erforderlichen Informationen zu erhalten, wird jede registrierte Person nach ihrem Alibi zur Tatzeit befragt und ihre Blutgruppe ermittelt. Den Befragungen und Zeugenvernehmungen folgt eine aufwendige Vergleichsarbeit und Überprüfung der Angaben. Doch es ist Eile geboten, denn die Erinnerung der Befragten, wo sie sich am Abend des 24. März aufhielten und wer das bezeugen könnte, verblaßt von Tag zu Tag mehr. Hunderte von Überprüfungen werden ohne Erfolg vorgenommen. Noch aber sind nicht alle Männer überprüft und es gilt, geduldig weiter zu ermitteln.
    Am 20. Mai 1971 verändert sich die Situation abrupt: Der 18jährige Jugendliche Bert-Julius Geiger, ein hochaufgeschossener, scheuer, geistig etwas zurückgebliebener junger Mann, der in einer kleinen Ortschaft zwischen Erkner und Fürstenwalde wohnt und in einer Köpenicker Druckerei

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