El Camino Amable
Denkmal und einen freundlichen Gruß für die Pilger.
Der Weg führt endlich wieder durch Felder und über einsame Flügel, es ist ein Genuss, zu gehen. So komme ich auch gut voran und bin in drei Stunden in Astorga - das sind immerhin 17 Kilometer! Dort habe ich (im Schatten!) gemütlich auf dem Rathausplatz gefrühstückt, den Bischofspalast von Gaudí von außen angeschaut und auch die Kathedrale nur von außen, denn innen fand eine Messe statt. Dann ging’s noch 10 Kilometer weiter - damit bin ich heute 27 Kilometer gelaufen, das sollte eigentlich genug sein. Die Herberge in Santa Catalina de Somoza (die Namen sind hier oftmals länger als die Dörfer) macht auch einen angenehmen Eindruck, aber es ist erst 13 Uhr und wenn ich vielleicht doch noch 12 Kilometer weiter gehe, bis Rabanal, habe ich den Aufstieg auf 1500 Meter morgen in der Frühe.
Und das ist zu Beginn des Tages deutlich leichter, als wenn man vorher schon 12 Kilometer gegangen ist. Also gönne ich mir nur ein Eis, ziehe für eine halbe Stunde die Schuhe aus und laufe dann weiter.
Ein Pilger kommt mir entgegen, es ist ihm einfach zu heiß, um weiterzugehen. Recht hat er, es ist wirklich heiß: 14 Uhr und etwa 38 Grad im Schatten, nur dass es keinen Schatten gibt, in dem man gehen könnte. Nach einer Stunde Marsch entlang der Asphaltstraße komme ich in das nächste Dorf. Es macht einen gespenstischen Eindruck. Fast alle Häuser sind verlassen. Wahrscheinlich sind die Einwohner verdunstet. Als ich aus der Pumpe Wasser für meine Flasche zapfe, ist dieses heiß und ich muss es eine ganze Weile laufen lassen, bis es kalt kommt. Dann laufe ich weiter und trinke ab und zu einen Schluck — nach zwanzig Minuten ist es piewarm.
Leider führt der Camino genau an und zum Teil sogar auf der Landstraße entlang. Wenn ich mir den Asphalt so anschaue, habe ich den Eindruck, dass er an einigen Stellen flüssig wird. Ein Laster überholt mich. Deutlich drücken sich seine Reifenprofile in den Asphaltbrei und schaffen ein neues Muster.
Erstaunlicherweise spüre ich das Gewicht des Rucksacks nicht mehr. Er ist nicht leicht, aber er belastet mich nicht.
In Rabanal geht es zur Herberge wieder einmal tüchtig den Berg hoch. Ich habe mir wieder eine schöne Albergue ausgesucht, eine, die von englischen Jakobsbrüdern restauriert und liebevoll ausgestaltet wurde. Voller Blumen, Schatten und pieksauber. Es gibt auch einen herrlichen Garten. Eine Oase. Nach 39 Kilometern in der Hitze bin ich bereit, vieles als Oase zu bezeichnen, aber diese ist wirklich eine.
Als ich mit meinem „Haushalt“ fertig bin, habe ich tüchtig Hunger. Seit dem Frühstück hatte ich nur ein Eis und es ist inzwischen halb fünf. Aber die Siesta muss abgewartet werden — der kleine Laden hier öffnet wie alle erst um fünf Uhr.
Nach dem Einkaufen mache ich mir in der gut ausgestatteten Küche Bratkartoffeln mit Schinken und Knoblauch satt. Der Spanier, der mich heute ein paarmal überholt hat, bietet mir beim Kochen ein Bier an. Er meint, das Wichtigste am Kochen sei der Alkohol. Ich bin da nicht ganz so sicher, aber ich revanchiere mich mit dem Rest der Bratkartoffeln — dafür wäscht seine Frau dann meine schmutzige Pfanne ab. Das Pilgerleben gefällt mir!
Zur Vesper in der gegenüberliegenden Kirche mit anschließender Pilgersegnung werde ich gebeten, einen kleinen deutschen Text zu lesen. Andere Pilger aus der Herberge lesen ihn in ihren Sprachen. Die kleine Kirche, in der gerade Ausgrabungen stattfinden, ist voll. Endlich einmal ein etwas anderer Gottesdienst. Danach sitze ich mit einem Wein im Garten und sehe zu, wie eine Spanierin Füße verarztet. Und sie hat viel zu tun! Mein Fuß schwillt langsam ab und behindert mich erst nachmittags, wenn ich den festen Schuh ausziehe. Wenn ich mir das Elend hier so ansehe, geht’s mir wirklich gut!
Ich bin immer wieder am Überlegen, wo mein spiritueller Gewinn liegt. Heute in der Kirche habe ich Kolosser 1; 9— 11 vorgelesen und als Fazit im Kopf behalten: gute Werke, Kraft, Geduld und Ausdauer. Alles okay. Kraft und Ausdauer funktionieren schon ganz gut, aber ich fürchte, bei mir hapert’s an der Geduld und guten Werken. Ich habe inzwischen einen bunten Reigen von verschiedenen Menschen kennengelernt — vielleicht ist es das: Alle sind okay, nicht nur die, die ich verstehe oder bejahe oder akzeptiere. Ist das dann Güte?
18. Tag
Rabanal del Camino—Molinaseca
Beim Frühstück um 6.30 Uhr treffe ich auch eine junge Familie in
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