El Camino Amable
Weges im vergangenen Jahr gelaufen ist und den Camino in diesem Sommer zu Ende gehen will. Pia ist Anfang fünfzig, eine kleine Italienerin mit fröhlichem Wuschelkopf, die außer Italienisch nur ein wenig Französisch spricht und sich bemüht, zu verstehen, was Theo und ich auf Französisch reden. Ab und zu wirft sie etwas auf Italienisch ein, was Theo dann ins Deutsche, Englische oder Französische übersetzt. Ansonsten möchte sie in ihrer ruhigen Gelassenheit einfach nur in der Gruppe dieses Abends aufgehoben sein.
Die Freundlichkeit des Camino besteht im Teilen und Mitteilen, in der Bereitschaft, zuzuhören und zuzulassen. Jeder ist, wie er ist - einfach anders. Und er darf das sein und bleiben. So funktioniert das Miteinander von Alt und Jung und es funktioniert quer durch alle Nationalitäten, denn alle verbindet das gleiche Erleben. Alle leben in derselben Hitze, haben Hunger, Durst und kaputte Füße. Der Radfahrer, der mich nach einer steilen Steigung überholt, kurz anhält, einen Schluck trinkt und mir seine Flasche mit der Frage „Agua?“ hinhält, weiß, wie es mir geht und ich danke ihm. Wir lächeln uns an und er fährt weiter.
Jeder weiß, dass ein Pilger einen Grund hat, den Camino zu gehen und oft ergeben sich Gespräche über den eigenen Weg zu Hause und den bis hierher. Es sind ehrliche Gespräche, offen und auch mit Emotionen, und man weiß, dass diese Begegnungen in den Gesprächen etwas Besonderes sind. Etwas, was in der „wirklichen Welt“ keinen oder zu wenig Platz hatte. Hier ist es richtig, hier ist es gut aufgehoben.
20. Tag
Pereje - O Cebreiro
Beim Aufbruch heute Morgen (sechs Uhr, 900 Meter hoch) ist es bitterkalt, aber Laufen macht irgendwann warm. Ich bin dementsprechend auch gut vorangekommen und habe um 8 Uhr (10 Kilometer bergauf!) gefrühstückt und mich aufgewärmt. Dann kommt die Sonne durch, der Weg führt endlich weg von der Landstraße und in kleine, enge Täler bzw. über Höhen. Es ist richtig gutes, klares, sonniges, kühles Laufwetter und eine wunderschöne Landschaft mit fantastischen Ausblicken, je höher man kommt. Die Stimmung und die herrliche Ruhe lassen sich leider mit Fotos nicht richtig einfangen. Grandioso!
Die letzten 10 Kilometer sind unverschämt steil, zum Glück aber schattig. Es kommt mir vor wie acht Kilometer Treppensteigen. Als ich in O Cebreiro auf den Pass komme, steht oben ein Mann und bläst bei jedem Pilger, der oben ankommt, in ein Kuhhorn.
Es trötet gar schauerlich, ist aber irgendwie auch witzig. Dann schenkt er jedem einen Spruch in seiner Landessprache.
Ich bin zu alle, um mir den Spruch gleich durchzulesen und gehe erst einmal auf die Aussichtsplattform, um zu verschnaufen. O Cebreiro ist ein absolutes touristisches Highlight. Sogar zwei Busse sind da. Hier gibt es eine Art Museumsdorf, viel Rummel, viel Essen, viel teuer. Die Herberge ist neu und hat erst seit einer Woche auf - das merkt man auch, es fehlt noch an vielem (Ablagen und Türen in den Duschen, Haken in den Wänden, Geschirr in der Küche...). Auch hier weht ein kühler Wind — doch das Panorama ist gigantisch!
Nach dem „Haushalt“ treffe ich Theo und Pia wieder, ich gehe mit Theo ein Bier trinken. Dabei stellen wir fest, dass wir ähnliche Berufe haben und wir tauschen uns über Berufsprobleme aus. Ganz ohne Alltag kann man auch hier wohl doch nicht leben. Dabei bemerke ich Hyan und Silvio. Wir freuen uns alle über das Wiedersehen! Ich verabrede mich mit Hyan in Santiago am 9. August um 10 Uhr an der Kathedrale. Bin gespannt, ob das klappt.
Als ich wieder zur Albergue gehe, kommen Jannis und Samuel. Sie bekommen keinen Platz mehr in der Herberge, fragen aber, ob sie hier duschen und auf dem Gelände ihr Zelt aufschlagen dürfen. Das geht in Ordnung und sie laden mich noch auf einen Wein am Abend ein. Es weht ein eiskalter Wind, wir sind immerhin 1300 Meter hoch und obwohl die Sonne scheint, ist es bitterkalt. Ich setze mich zu Philippe in die Sonne „pour faire un peu de la conversation“ - mein Französisch wird allmählich besser und langsam vergeht die Zeit. Ich habe mir vorgenommen, hier zur Pilgermesse zu gehen und mache mich auf zur Kapelle.
Es ist die schönste Kirche, die ich bisher hier erlebt habe, sie ist ganz schlicht aus Feldsteinen gemauert und innen im Altarbereich nur weiß gestrichen. Als einzigen Kontrast sieht man die Feldsteine. Außerdem gibt es nur ein Kruzifix im Altarraum - keine Maria und kein Gold. Ganz einfach und ganz
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