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El Camino Amable

El Camino Amable

Titel: El Camino Amable Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Curth
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ich noch mehrere Stunden bewundern, denn der Camino führt noch über zwei weitere Pässe, bevor es wieder abwärtsgeht. Ich hatte das Glück, bis in den frühen Nachmittag allein zu gehen — mit freien Ohren. Hier in Galicien ist es bisher sehr bergig, es gibt zahlreiche Niederschläge, die für reichliche Vegetation sorgen, es grünt überall und während ich laufe, höre ich immerfort irgendwo das leise Glucksen eines Baches. Es ist wie Wandern im Auenland - allerdings viel, viel heißer! Irgendwie hatte ich mir in den Kopf gesetzt, wieder wie gestern mit Obst und Käse irgendwo draußen zu frühstücken, statt ein trockenes Boccadillo in einem Restaurant zu essen. Restaurants gab es unterwegs in Triacastela genug, aber eine Alimentación zum selber Einkaufen habe ich nicht gefunden. Ich hatte inzwischen tüchtig Hunger, denn außer einem Toast mit Café con leche um 7 Uhr hatte ich noch nichts gegessen — und inzwischen war es zwölf. Also beschloss ich, noch bis zur nächsten Herberge in Calvor (14 Kilometer) weiterzugehen. Es hätte ja sein können, dass in einem der nächsten Dörfer noch eine Alimentación vorhanden ist. Hätte sein können. War aber nicht. Stattdessen gab es einen wunderbaren schattigen Weg durch saftig grünes Weideland mit schönem Wald. Ein Erlebnis — aber es macht nicht satt.

    Gegen halb zwei machte ich mir verschärft deutlich, wie blöd ich doch war — statt in Triacastela zu essen noch eine dreieinhalbstündige Wanderung anzuhängen.

    Der Witz mit dem jüdischen Rabbiner fiel mir ein, der es bei auflaufendem Hochwasser ablehnt, in drei nacheinander vorbeikommende Fahrzeuge zu steigen, die ihn retten wollen.
    Anstatt einzusteigen, verweist er stets darauf, dass der Herr selbst ihn schon noch retten werde. Schließlich ertrinkt er. Als er in den Himmel kommt, beschwert er sich darüber beim Herrn, worauf dieser nur erwidert, der Rabbi habe immerhin drei seiner Rettungsangebote abgelehnt.
    Reumütig und hungrig stolpere ich durch das nächste Kuhdorf (das sind die Dörfer hier wirklich, zwar mit ländlichem Charme, doch es ist kaum möglich, den unzähligen Kuhfladen auf dem Weg auszuweichen!), da sehe ich hinter einer offenen Tür in einem Hausflur einen Kaffee- und einen Schokoladeautomaten stehen. Mit dem Beispiel des Rabbi vor Augen werfe ich schnell eine Münze ein und komme so statt zu einem Essen doch immerhin zu einer kleinen Tafel Schokolade. Eine halbe Stunde später treffe ich Ina an einem Brunnen mitten im Wald und wir gehen gemeinsam weiter. Ich will — wie gesagt — nur bis Calvor und sie noch fünf Kilometer weiter bis Sarria.
    Ja, und dann ist die Stille vorbei — selbst schuld.

    Wir gehen recht schnell, es ist wirklich heiß und wir fragen in zwei Dörfern nach Calvor, aber es gibt kein Ortsschild für den kleinen Flecken und so haben wir es irgendwie verpasst. Die gelben Pfeile sind zwar wie immer da, aber wir sehen keinen Hinweis auf eine Albergue. Gegen halb vier taucht dann ein nagelneues rosafarbenes Gebäude mit dem ersehnten Hinweis „Albergue“ an der Straße auf. Das wird meine! Ina geht weiter. Ja, und nun sitze ich hier, weiß nicht genau, wo ich bin und was es kostet, habe ein Essen bestellt und soll nach dem Essen dann alles zusammen bezahlen. Das wird schon alles seine Richtigkeit haben, und doch habe ich es lieber, wenn ich Kosten im Voraus kenne. Hier auf dem platten Land ist es nur in den größeren Städten möglich, Geldautomaten zu finden und irgendwann muss man schon anfangen, seine Barschaften kontrolliert auszugeben.
    Nach dem Essen sieht bestimmt alles anders aus. Essen gibt es um acht - in einer halben Stunde -, und ich hab jetzt richtig Hunger!

22. Tag

Sarría—Portomarín

    Heute bin ich spät gestartet - erst um halb acht. Vielleicht war das leckere und reichhaltige Essen am Abend schuld daran, dass ich so lange und so gut geschlafen habe. Die Wirtsleute hatten eine hervorragende Paella zubereitet, dazu gab es eine Quiche und Salat sowie Früchte nach Wahl als Dessert. Das gepflegte Ambiente erinnerte eher an ein Hotel und das köstliche Essen passte in diesen edlen Rahmen: ein Essraum, der so geschmackvoll eingerichtet war, dass man darin wahrscheinlich eher speist als isst. Satt, müde und zufrieden fiel ich ins Bett.
    Es ist heute sehr neblig draußen. Wir waren letzte Nacht nur drei Fußpilger im Zimmer, die anderen sind Radfahrer und kaum einer hat eine Beleuchtung an seinem Rad. Also schlafen die wohl immer so lange, bis

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