El Camino Amable
überlegen, ob sie ihr Ei heute als 3-Minuten-Ei gekocht oder als Spiegelei anrichten lassen. Aber ich genieße es nun einmal genau so, allein unter dem Sonnenschirm vor dem plätschernden Brunnen, und es ist ganz ruhig!
Im Anschluss an die Frühstückspause geht es noch acht Kilometer weiter abwärts — aufs Mühsamste. Dieser Teil des Camino heute ist wirklich schwer zu gehen und es herrscht eine brüllende Hitze! Nicht einmal ein Vogel ist zu hören. Der Weg windet sich als schmaler Pfad die letzten Kilometer abseits der Straße durch die Macchia. Rechts und links steigen die Berge steil an und im Tal staut sich die Hitze.
Als ich in Molinaseca ankomme, habe ich echt keine Lust mehr zu laufen — dabei sind es bis Ponferrada nur noch acht Kilometer.
Molinaseca ist im Reiseführer als sehr schön beschrieben. Man betritt den Ort über eine alte Römerbrücke und die schmucken Häuschen sind wirklich gepflegt. Leider wird die Hauptstraße gerade neu gepflastert, sodass ich durch Nebenstraßen gehen muss, und die sind nicht so ausdrucksstark. Daher finde ich auch kaum gelbe Pfeile und bin schon durch den Ort durch, bis ich jemanden nach dem Weg fragen kann. Der schickt mich noch 600 Meter weiter — aber die Herberge ist offensichtlich eine andere als die im Wanderführer beschriebene. Mir ist das inzwischen völlig wurscht. Ich will duschen, ein Bett, Füße hoch, ein Bier. Und in genau dieser Reihenfolge mache ich das auch! Die Herberge gehört zu den kommerziellen, kostet auch mehr, nämlich sieben Euro, und ist aufs Feinste eingerichtet. Es gibt schöne, lichte Schlafräume aus hellem Holz sowie saubere, geräumige Duschen und alles ist noch ganz neu. Ich bekomme ein Einzelbett in einem 10er-Raum unter dem Dach. Beim Wäschewaschen und später auf der Terrasse beim Bier unterhalte ich mich mit einem jungen Paar aus Spanien - Paula und Angel — und einem Pärchen aus Paris.
Sie fragen mich, ob ich mit ihnen zurück in den Ort zum Essen kommen mag. Ich finde das richtig nett! Trotzdem lehne ich Idiot das ab und versuche seitdem, die Zeit totzuschlagen. Bin ich blöd! Also marschiere ich ins Dorf und stelle fest, dass der Reiseführer recht hat - es ist wirklich sehr schön. Der Fluss ist unter der Römerbrücke ein wenig aufgestaut und dort ist das halbe Dorf zum Baden versammelt. Die Kinder planschen, die Jugendlichen vollführen abenteuerliche Sprünge ins Wasser, um dem anderen Geschlecht zu imponieren, die Erwachsenen sitzen im Schatten und schauen wehmütig-wohlwollend zu. Und die alten Herren sitzen nebeneinander und machen ab und zu Bemerkungen.
Ich schaue mir die Szenerie vom Rasen neben dem Fluss an, habe für heute Urlaub und mache eine Siesta.
Einige Stunden später brechen recht viele Einwohner auf, es wird jetzt wahrscheinlich im ganzen Dorf Abendbrot gegessen. Diejenigen, die geblieben sind, versammeln sich oberhalb des Badeplatzes, denn am Fluss wird es kühler und die ersten Mücken machen sich bemerkbar. Die Kinder fahren nun Rad und Inliner, einige junge Männer spielen auf dem Dorfplatz vor den Cafés Fußball, die Alten sitzen in den umliegenden Cafés, trinken etwas, essen Chips und Kürbiskerne — aber eben durchaus nicht immer die Menüs der Restaurants. Kleine Kinder versuchen, den Wasserstrahl des Brunnens über den Platz zu leiten. Als ich zurück zur Herberge gehe, sehe ich, wie die Daheimgebliebenen auf den Bänken vor den Häusern die Abendsonne genießen. Es ist ein richtiges sommerliches Dorfleben. Toll! Als ich ankomme, sitzen die beiden netten jungen Paare - Angel und Paula aus Madrid und die anderen beiden aus Paris — draußen und laden mich auf eine Melone ein. Erst sage ich spontan Nein, dann berichtige ich mich und nehme an. Bin stolz auf mich.
19. Tag
Molinaseca—Pereje
Es war viel zu heiß zum Schlafen! Ich bin dann auch um 6 Uhr losmarschiert - mit einer Banane als Frühstück. Alle Camino-Pilger schwören auf Bananen: Da ist alles drin, was ein Pilger so braucht. So war ich schon nach eineinhalb Stunden in Ponferrada (acht Kilometer).
Dort habe ich dann in Ruhe gefrühstückt, und als ich fertig war, klopften die vier jungen Leute von gestern an die Scheibe des Restaurants und freuten sich offensichtlich, mich wiederzusehen. So was! Als ich dann ging, klopfte Angel mir auf die Schulter und sagte: „Take care!“ Der ist wirklich nett. Na ja, wenn man „Engel“ heißt, steckt wohl auch ein bisschen von einem Engel in einem drin.
Auch die Stadt Ponferrada
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