El Camino Amable
auch der letzte Nebel sich verzogen hat.
Der Weg war gut und auch an diesem Tag war der Camino zwar bevölkert, aber ich konnte durch diverse Überholmanöver ohne Gespräche vor oder hinter mir laufen. Es ging wieder mehrfach durch Wälder, und diese Sorte von Schatten ist einfach zu schön. Zumal es wahnsinnig heiß war! Portomarín liegt — natürlich! — wieder an und auf einem Berg. Als ich vor der ersten Herberge stehe, ist die jetzt bereits voll, dabei ist es erst zwei Uhr. Unter den Arkaden der schönen Altstadt treffe ich Philippe, der auch noch eine Unterkunft sucht.
Philippe kommt aus Frankreich, ist Anfang fünfzig, recht groß, und was an ihm besonders angenehm auffällt, ist seine Fähigkeit, aufmerksam zuzuhören. Er kann im Gespräch Sachverhalte sehr präzise auf einen Punkt bringen und ist immer zu einem Scherz bereit - dabei hat er gerade seine Arbeitsstelle verloren. Demzufolge ist er zeitlich völlig unabhängig und hat seine Pilgerreise bereits in Le Puy begonnen. Das bedeutet, er hat bereits weit mehr als 1000 Kilometer hinter sich. Wir marschieren gemeinsam zur nächsten ausgeschilderten Albergue. Sie ist nicht schwer zu finden, aber auf dieses Angebot gucken wir dann doch etwas entgeistert. Es ist die alte Turnhalle mitten in der Stadt. Hier liegen erst circa 50 Isomatten, ich schätze, 200 gehen noch hinein. Das lässt einen hohen Geräuschpegel und eine unruhige Nacht erwarten. Also suchen wir erst einmal weiter und wollen notfalls zurückkommen. Die nächste Herberge liegt wieder unten am Fluss, also marschieren wir den zuvor mühsam erklommenen Weg bergab wieder zurück. So etwas tut mir in der Seele weh! Doch auch diese Unterkunft ist schon besetzt. Fünfzig Meter weiter unten liegt eine weitere kommerzielle Herberge und dort sind noch zwei Betten frei!
Was aber eigentlich auch nicht weiter verwunderlich ist, denn innen stehen 160 Betten in einem riesigen Raum, der durch drei Vorhänge in vier „Räume“ aufgeteilt ist. Wahrscheinlich, damit er überhaupt ein bisschen Struktur hat, die es einem erleichtert, das eigene Bett nach dem Duschen überhaupt wiederzufinden. Ein wenig erinnert das schon an die soeben verworfene Turnhalle, doch es ist uns zu heiß, um weiterzusuchen und erst einmal sind wir erleichtert. Ich schlafe in einem Doppelstockbett oben, was ich später bereuen werde, beim Auspacken der Rucksäcke beschließen wir, uns um 18 Uhr zum Kochen in der hiesigen Küche zu treffen. Ich schlage etwas Besonderes vor: vielleicht Nudeln? Er stimmt zu, Nudeln seien etwas ganz Fantastisches. Und er würde das Menü noch mit etwas Wein und Käse vervollständigen. Wunderbar. Es folgt wie immer Duschen und Wäschewaschen, dann wird geruht und anschließend gehe ich „in die Stadt“. Es ist tierisch heiß! Einige Tage später höre ich, dass dieses Wochenende in Spanien das heißeste des Sommers gewesen in soll.
Portomarín ist sehr hübsch, kleine Parks liegen in der Nähe des Hauptplatzes, der von schönen „alten“ Häusern mit schatten Arkaden begrenzt wird. Man hat von hier oben einen weiten Blick über den Stausee und wenn man lange genug rauf schaut, fühlt man sich fast schon ein Grad kühler, und das tut gut.
Portomarín besitzt eine eindrucksvolle Kirche mit großen Glasrosetten.
Sie ist wie ein rechteckiger Kasten gebaut und war als Wehrkirche im romanischen Stil konzipiert. Und so steht sie auch trutzig und imposant auf dem Dorfplatz. Ansonsten ist dieser Ort recht „neu“, denn bei der Anlage des im Tal gelegenen Stausees sind der alte Ort und auch die alte Kirche abgebaut und originalgetreu hier oben auf dem Berghang wieder aufgebaut worden.
Um 18 Uhr treffen Philippe und ich uns in der Küche und beginnen mit unserem Menü. Es ist nicht so einfach, zu zweit zu kochen, aber wir kriegen das mit viel Spaß hin und es wird wirklich lecker. Bei Nudelgerichten kann man zum Glück aber auch nicht allzu viel verkehrt machen. Wir reden viel und nach dem Abwasch setzen wir uns auf die Bank vor der Tür der Herberge und schauen auf das Wasser des großen Stausees. Am Abend kommt noch eine Gruppe von circa 40 Leuten mit dem Bus, für die man Betten freigehalten hatte. Dafür hing aber seit 16 Uhr ein Schild an der Tür - „Completo“. Es sind hier heute tatsächlich Fußpilger abgewiesen worden, damit diese Buspilgergruppe noch ihre reservierten Plätze wahrnehmen kann. So etwas geht nur in den kommerziellen Herbergen. Und was diese Buspilger an Gepäck und Koffern
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