El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
schließlich wurde das Ganze von Regierung und Kapital finanziert und betrieben.
Miguel Ángel Félix Gallardo, ein ehemaliger Polizist und Politiker-Leibwächter, der in den Achtzigern zum Paten des Drogenhandels aufstieg und sich so den Spitznamen »El Padrino« verdiente, spazierte einst über Culiacáns Straßen. Ernesto »Don Neto« Fonseca Carrillo, der aus dem in den Bergen hinter Badiraguato gelegenen Santiago de los Caballeros stammt, lebte still und leise in einer Stadtvilla in Culiacán. Beide waren schlichte Geschäftsleute.
Chapo und seine künftigen Partner, die Beltrán-Leyva-Brüder (Marcos Arturo, Alfredo, Héctor, Mario und Carlos), mussten sich indes mühsam in der Sierra durchschlagen. Sie waren »Buchones«, eine Horde von Nobodys.
Amerikas »War on Drugs«
Anfang der Siebziger war der Drogenhandel in Sinaloa zum bedeutendsten Wirtschaftszweig angewachsen. Das Geschäft blühte. Kokain wurde mit Booten und Flugzeugen aus Kolumbien eingeschmuggelt, und die Sinaloenser schafften es in Lastwagen über die US-amerikanische Grenze. Manchmal kamen auch Kleinflugzeuge zum Einsatz. Marihuana und Kokain wurden in der liberal-hedonistischen Atmosphäre dieser Ära mehr und mehr salonfähig. Aber schon bald provozierte der boomende Drogenhandel die ersten Gegenreaktionen. 88
Die US-Regierung wurde schnell auf den wachsenden Drogenkonsum aufmerksam und sah darin eine Bedrohung der Grundfesten der Gesellschaft. Am 17. Juni 1971 erklärte Präsident Richard Nixon, der Drogenmissbrauch habe »das Ausmaß einer nationalen Katastrophe angenommen«, und forderte vom Kongress die Bewilligung von 155 Millionen Dollar zur Bekämpfung des Drogenproblems (sowohl im In- als auch im Ausland). Damit, so Nixon, wolle er »die Flut zurückdrängen, die das Land in den vergangenen zehn Jahren überschwemmt hat und die Leib und Seele von Amerika zu verzehren droht«.
Binnen zwei Jahren wurde eine Bundesbehörde geschaffen, die DEA. Diese warnte bereits 1974, dass der mexikanische »Mud« (Heroin) in den USA überaus stark nachgefragt würde und dass mexikanische Drogenhändler 75 Prozent des US-Marktes kontrollierten. Prompt wurde der globale Krieg gegen die Drogen ausgerufen.
Der Drogenhandel in Sinaloa – und damit bis zu einem gewissen Grad Sinaloa selbst – überlebte die US-amerikanische Offensive nur knapp. Am 26. Januar 1974 begann in Sinaloa die von den USA angeführte Operation »SEA/M« (Special Enforcement Activity Mexico), um den Heroin- und Opiumschmuggel zu zerschlagen. 1976 riefen die DEA und die mexikanische Regierung eine noch umfangreichere gemeinsame Aktion, die »Operation Trizo«, ins Leben – mit dem Ziel, den Opiumanbau im Goldenen Dreieck zu zerstören. Gerüchteweise war auch die CIA an der Aktion beteiligt. Das US-amerikanische Außenministerium stellte Hubschrauber zur Verfügung, mit denen in den Bergen von Durango, Chihuahua und Sinaloa Pestizide versprüht wurden. Das Hauptaugenmerk galt dabei Sinaloa. Im Laufe eines Jahres wurden 22 000 Hektar Mohnfelder – mit deren Ernte etwa acht Tonnen Heroin hätten produziert werden können – vernichtet, und die DEA feierte den Erfolg der »Operation Trizo«.
»1979 war der Reinheitsgrad mexikanischen Heroins auf lediglich fünf Prozent gesunken und hatte damit den niedrigsten Grad seit sieben Jahren erreicht«, hieß es in der offiziellen Verlautbarung über die Anti-Drogen-Initiative. Tatsächlich verminderte die »Operation Trizo« die Nachfrage nach mexikanischem Heroin beträchtlich. 89
Allerdings haben zahlreiche Bewohner der Sierra weniger gute Erinnerungen an »La Limpieza« (»das Großreinemachen«). Die Aktion geschah zeitgleich mit der mexikanischen Anti-Drogen-Offensive »Condor« und zerstörte die Lebensgrundlage der Menschen. Tatsächlich waren die sogenannten »4000 Mitglieder illegaler Organisationen« zum allergrößten Teil einfache Buchones oder gar schlichte Siedler, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Jahre später räumten einige US-amerikanische Agenten ein, dass nicht ein einziger bedeutender Drogenhändler gefasst worden war. Dagegen waren die Pestizidattacken und die Massenverhaftungen
in der Sierra für die Region fatal. Mehr als zweitausend Dörfer wurden aufgegeben oder zerstört.
Die aus der Sierra Vertriebenen zogen in die Städte, wo sie – laut El Padrino – lange Elendsschlangen bildeten.
»Der Mangel an Raum und Beschäftigung trieb sie entweder dem Hungertod oder dem
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