El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Männer an den Straßenecken herum, manche hängen einfach nur ab. An den Marktständen und in den Läden werden Fremde zwar freundlich willkommen geheißen, dennoch fragen sich fast alle, was man hier zu suchen hat. 82
Ein DEA-Agent sagte mir, jemandem unvorsichtigerweise den Rücken zuzukehren oder seine Instinkte zu ignorieren, könne in Culiacán tödlich sein. 83
»Die Indios waren nicht so zahm, wie die Jesuiten geglaubt hatten«, erklärt der Historiker Sergio Ortega. Schon 1594, drei Jahre nachdem die Ordensbrüder eingetroffen waren, kam es zu den ersten Zwischenfällen. Ein Indio namens Nacabeba sammelte ein paar Rebellen um sich, und gemeinsam töteten sie einen Missionar.
Miguel Ortiz Maldonado, der faktische Gouverneur von Sinaloa, rief seine Truppen zu den Waffen und nahm die Aufständischen gefangen. Sie wurden umgehend exekutiert. Doch um zu verhindern, dass die Rebellion weitere Kreise zog, verbannte Ortiz Maldonado die Jesuiten aus der Gegend und befahl ihnen, sich nach San Miguel de Culiacán zurückzuziehen.
Die Jesuiten hielten zwar einige Missionen aufrecht, bemühten sich aber insgesamt um ein unauffälligeres Auftreten. Ein Student aus Culiacán meint: »Die Jesuiten waren die besten Herrscher, die wir je hatten – sie ließen uns selbst regieren. «
Die Beziehungen zwischen Jesuiten und Spaniern dagegen verschlechterten sich zusehends. Im Juli 1767 vertrieben die Spanier sie aus der gesamten Region Sinaloa.
In den folgenden Jahrzehnten kehrte dort dann wieder die Gesetzlosigkeit ein, und die Abneigungen der heißblütigen Einheimischen brachen sich mit Gewalt Bahn. Es folgten turbulente Jahre, in denen sich die Spanier, die im Großen und
Ganzen ihre Macht aufrechterhielten, sich an das weniger gesetzestreue Leben in der Neuen Welt gewöhnten. 84
Gegen Ende des Jahres 1810 befand sich Mexiko dann wie alle Kolonien Lateinamerikas im Unabhängigkeitskrieg gegen die Spanier. Auch die indigene Bevölkerung von Badiraguato griff zu den Waffen und hatte ihre Heimat binnen weniger Monate von den Spaniern gesäubert. Am 25. Februar 1811 erklärten die Einheimischen ihre Unabhängigkeit. 85
Seither fanden sich die mexikanische Armee, die Regionalregierung und die lokalen Fürsten (Pistoleros, Schmuggler und Narcos) in den seltensten Fällen auf derselben Seite, schafften es aber trotz permanenter Zwistigkeiten, mehr oder weniger zu koexistieren.
Dennoch wurden die übelsten Banditen und Gangster in Sinaloa fast immer mit offenen Armen empfangen. Eine gut zugängliche Küste und Bergregionen, in denen man problemlos untertauchen konnte, zogen insbesondere Schmuggler geradezu magisch an, während die gewöhnlichen Banditen die Unfähigkeit der Lokalregierungen, die Ordnung aufrechtzuerhalten, zu schätzen wussten.
Selbst der legendäre Revolutionär Francisco »Pancho« Villa errichtete zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein Hauptquartier im heutigen Chihuahua in den Ausläufern der Sierra Madre. Villa, der sein Leben lang auf der Flucht vor den mexikanischen und US-amerikanischen Truppen war, hielt sich lange in der Sierra versteckt und trat schließlich in dem Bergstädtchen Hidalgo del Parral seinem Schöpfer entgegen.
Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts war die Kultur der Gesetzlosigkeit bereits so tief in der sinaloensischen Bevölkerung verankert, dass der mythenumrankte Bandit Jesús Malverde unter den Einheimischen geradezu Kultstatus genoss. 86
Der Legende zufolge raubte der schnauzbärtige Bandit um die Jahrhundertwende die Reichen aus, um den Armen zu geben, ehe er gefasst und am 3. Mai 1909 gehängt wurde.
Doch Malverdes Vermächtnis blühte weiter. Selbst heute, ein Jahrhundert später, versammeln sich allmonatlich Tausende von Bewunderern um seinen Schrein in Culiacán, um seiner zu gedenken, und flehen ihn – wie sonst nur die Nationalheilige, die Jungfrau von Guadalupe – um Beistand an. 87
Die Kriminellen betrachten Malverde als eine Art Narco-Heiligen, während die Behörden diese Verehrung als Schande betrachten. »Die Regierung dient oft nicht den Menschen hier, deshalb wenden sie sich den Narcos zu«, sagt der Jurastudent Jesús Manuel González Sánchez, der den Malverde-Schrein pflegt, seit sein Vater, der ihn eingerichtet hatte, verstorben ist. »Malverde ist nur ein Symbol für diese Haltung.«
Sinaloa ist ein fruchtbarer Boden für die Gewalt. Noch in den Sechzigern endeten Landstreitigkeiten in der Sierra wie in den Jahrhunderten zuvor oftmals mit
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