El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
veröffentlicht. Obwohl es nichts Inkriminierendes enthielt, war Hank Rhon der Auffassung, es handele sich um persönliche Informationen, die nicht in die Zeitung gehörten.
Am Morgen des 20. April 1988 – einem der seltenen Regentage in Tijuana – wurde Félix Miranda am Steuer seines Ford LTD Crown Victoria erschossen. Die Autopsie förderte neunzehn Kugeln zutage, die seine Brust zerrissen und elf Rippen gebrochen hatten. Dem Autopsiebericht zufolge war auch sein Herz förmlich zerfetzt worden. Die Schuldigen waren drei von Hank Rhons Leibwächtern aus Agua Caliente. Zwei wurden verurteilt, der dritte wurde kurz nach der Verhandlung tot in Tijuana aufgefunden. 121
Hank Rhon wurde im Zusammenhang mit dem Mord nie angeklagt. Dennoch scheinen die Anschuldigungen einen Nerv zu treffen. Als ich ihn direkt auf Félix Miranda ansprach, rutschte Hank Rhon tief in seinen Sessel und legte die Hand an die Stirn.
»Es ist doch so: Wenn man zu populär wird und jemandem auf die Füße tritt, versucht immer jemand, dich zu neutralisieren«, erklärte er. »Aber es sind immer nur Anschuldigungen. « 122
Tatsächlich können wenige mexikanische Politiker oder Geschäftsleute die Erfolgsleiter emporklettern, ohne ständig Anschuldigungen und Korruptionsvorwürfe abwehren zu müssen. Inzwischen ist es Medienroutine, solche Vorwürfe zu publizieren – in der Hoffnung, dass etwas hängenbleibt.
Während des Aufstiegs der Arellano-Félix-Brüder kochte die Gerüchteküche der Stadt nahezu über. DEA und mexikanische Behörden behaupten nach wie vor, die Brüder wären
unantastbar gewesen und hätten nach Belieben morden können. Zwischen 1990 und 2000 Schmuggelten sie Hunderte von Tonnen Kokain nach Kalifornien. 123
Herr der Lüfte
Während die Arellano-Félix-Brüder in Tijuana regierten, etablierte sich Amado Carrillo Fuentes als Herr über den Drogenkorridor in Ciudad Juárez.
Der älteste von sechs Brüdern hatte den Drogenhandel von der Pike auf in Sinaloa bei Don Neto Fonseca gelernt. Als junger Mann hatte der ihn nach Ojinaga – eine Kleinstadt, ungefähr dreihundert Kilometer von Ciudad Juárez entfernt – geschickt, wo er den Kokainschmuggel koordinieren sollte.
Er lernte schnell, und als er Ciudad Juárez erbte, war er ein Meister seines Fachs. Besonders leicht fiel es ihm, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Überall im Land war er als »der diplomatische Narco« bekannt, der den Frieden dem Krieg vorzog und lieber auf Korruption setzte als auf Chaos.
Damals entwickelten die USA und Mexiko ein gemeinsames Radarsystem, mit dessen Hilfe sie aus Kolumbien kommende Flugzeuge überwachen wollten. Ein ehemaliger mexikanischer Armeegeneral leitete das Projekt.
US-amerikanische Beamte behaupten, Carrillo Fuentes habe ihn schnell in der Tasche gehabt.
Der Ex-General dementierte zwar jegliche Kooperation mit den Drogenhändlern, aber es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass Carrillo Fuentes den Luftraum beherrschte. Er besaß sieben Fluggesellschaften, die er dazu einsetzte, um das Kokain direkt von Kolumbien nach Chihuahua und von dort aus weiter in die USA zu transportieren. Die Flugzeuge landeten auf einer Landebahn in der Chihuahua-Wüste, wo seine Männer, von bis zu siebzig Leibwächtern beschützt, die Ladung
erwarteten. Innerhalb weniger Minuten war die Ladung umgeladen, das aus Kolumbien gekommene Flugzeug konnte umkehren, das andere brachte das Kokain in die USA.
Die Flugzeuge, die Carrillo Fuentes einsetzte, waren wendig und schnell, sie erreichten eine Geschwindigkeit von über tausend Stundenkilometern und waren so den Radarflugzeugen der US-Grenzpatrouille überlegen. Sie landeten in den Wüsten von Arizona und New Mexico, wo die Fracht – manchmal bis zu zwölf Tonnen – vom US-amerikanischen Abnehmer entgegengenommen wurde. Auf dem Rückflug brachten sie die Einnahmen zurück nach Mexiko, die bis zu sechzig Millionen Dollar pro Flug betragen konnten.
Carrillo Fuentes bekam bald den Beinamen »El Señor de los Cielos« (»Herr der Lüfte«).
Aber er war auch daran interessiert, sein Einflussgebiet innerhalb Mexikos auszudehnen. Er etablierte ein Operationszentrum in Hermosillo, Sonora, das er als Drehscheibe für seine Drogenflüge nutzen wollte. Sonora befindet sich südlich der Grenze in der Wüste und diente zuvor schon als Durchgangsstation für die Transporte aus Sinaloa. Carrillo Fuentes bezog eine rosafarbene Kalkgipsvilla ganz in der Nähe der Residenz des US-amerikanischen Konsuls.
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