El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Padrino von dort kannten – Presseberichte und Regierungsverlautbarungen, wonach die Brüder El Padrinos Neffen seien, entsprechen nicht der Wahrheit. Ciudad Juárez, mit seinen wichtigen Lkw-Routen nach Texas, sollte an die Familie Carrillo Fuentes aus Guamuchilito,
Sinaloa, gehen, allerdings nur unter Aufsicht eines hochrangigen Sicherheitsmannes von El Padrino.
Rafael Caro Quinteros Bruder Miguel sollte das Geschäft in Sonora übernehmen, sprich die Lkw-Routen nach Arizona kontrollieren. In jungen Jahren bereits hatten Miguel und seine Brüder unternehmerische Fähigkeiten demonstriert und waren von einfachen Marihuana-Pflanzern zu Partnern von Don Neto aufgestiegen. El Padrino wusste, dass er Miguel Sonora anvertrauen konnte, ohne dass es zu viele Konflikte mit dem im Süden angrenzenden Sinaloa geben würde.
Drüben an der Nordostküste, in Matamoros, Tamaulipas, würde Juan García Ábrego das Geschäft leiten. Da er seit 1985 enge Beziehungen zu den Kolumbianern unterhielt, galt der Mann, dem man später die Gründung des Golf-Kartells zuguteschreiben würde, bereits als unabhängiger Capo, den man in Ruhe arbeiten ließ.
In Sinaloa schließlich würden Chapo und El Mayo die pazifische Seite des Geschäfts kontrollieren. Die beiden brachten El Güero wieder in das Kartell ein, der sich in den siebziger Jahren mit El Padrino überworfen hatte und seitdem sein eigenes Geschäft betrieb. Chapo und El Mayo würden mit ihren sinaloensischen Vertrauten die Drogen nach Arizona und Südkalifornien schmuggeln. Chapo erhielt zudem die Kontrolle über die Tecate-Route.
El Padrino behielt sich vor, die nationalen Operationen zu kontrollieren, er hatte die nötigen Beziehungen und war immer noch die Nummer eins. Aber er betrieb das Geschäft nicht länger als One-Man-Show. 108
Am 8. April 1989 traf El Padrino im Haus eines Freundes in Guadalajara ein, wo er mit dem hochrangigen Polizeioffizier Guillermo Memo González Calderóni, einem seiner »Kontakte«, zum Mittagessen verabredet war.
Als El Padrino das Haus betrat, stürmten fünf Federales, die ihm seit langem bekannt waren, hinter ihm her, stürzten
sich auf ihn und warfen ihn zu Boden. Dann traf Calderóni ein.
»Was ist hier los?«, fragte El Padrino.
»Ich kenne Sie nicht«, erwiderte der Cop.
Auch nachdem er die sechzig längst überschritten hat und bei schlechter Gesundheit in einer Zelle in einem Hochsicherheitsgefängnis außerhalb von Mexiko-Stadt verrottet, macht El Padrino nach wie vor Calderóni, den man später mit García Ábrego und dem Golf-Kartell in Verbindung bringen sollte, für den Verrat verantwortlich.
Dabei waren kurz nach seiner Verhaftung Gerüchte in Umlauf geraten, nach denen El Padrinos Protegés ihn ans Messer geliefert hatten. Anfang der Neunziger ordneten Chapo und El Güero sogar die Ermordung einer Reihe von El Padrinos Leutnants und Anwälten an, was zu der weit verbreiteten Annahme führte, Chapo habe seinen Mentor verraten. Doch El Padrino gab nie etwas auf solche Spekulationen. Für ihn blieb Calderóni, der Cop, der Verräter. 109
Die neue Garde
So also erbten die Arellano-Félix-Brüder Tijuana, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Stadt an der mexikanisch-kalifornischen Grenze. Noch Jahrzehnte nach seiner Gründung bestand Tijuana aus kaum mehr als ein paar Ranches, die sich von der Küste ins Landesinnere erstreckten. Zudem hatten sich ein paar Hundert Farmer rund um Tijuana angesiedelt. Dann kam die Prohibition. Zwischen 1920 und 1933 verwandelte das Alkoholverbot in den USA Tijuana in eine Lasterhöhle. Bars schossen wie Pilze aus dem Boden, der Schmuggel blühte, die mexikanische Regierung sah weg, und vom US-amerikanischen Soldaten bis zum Hollywoodstar, vom einfachen Geschäftsmann bis zum Mafia-Boss drängten
alle nach Süden, um sich in den Bordellen, Bars, Casinos und auf den Rennbahnen eine schöne Zeit zu machen.
Zudem entwickelte sich Tijuana zur Sammelstelle migrationswilliger Lateinamerikaner, die auf ein besseres Leben in den USA hofften. Die wegen ihrer Lage im Nordwesten Mexikos »Esquina de America Latina« (»die Ecke von Lateinamerika«) genannte Stadt zog sogar Migranten an, die aus dem tiefen Süden, aus Argentinien und Uruguay kamen. Diejenigen, die es über die Grenze schafften, versuchten sich in Kalifornien ein neues Leben aufzubauen. Die, die zurückblieben, machten ihren Neuanfang in Tijuana.
Lange bevor das Drogengeschäft boomte, war Tijuana ein Schmugglerparadies. Alkohol und
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